Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
nicht einfach untertauchen können.«
Marais setzte sich wieder zu ihm an den Tisch und sah Sergei lange an. »Das ist im Moment alles irrelevant. Was wir hier inmitten der Heimatsterne der Zor in den nächsten Tagen machen, ein ganzes Universum weit von Oahu entfernt, wird gewaltige Auswirkungen auf die Zukunft des Imperiums haben. Wir müssen uns auf die Gegenwart konzentrieren, bevor wir uns der Zukunft widmen.«
»Bei allem Respekt, Sir, aber die Männer und Frauen unter Ihrem Kommando müssen wissen, dass Sie sie nicht im Stich lassen werden.« Er versuchte, dem stechenden Blick des Admirals etwas Angemessenes entgegenzusetzen. »Ich finde, sie sollten vor Abschluss dieses Unternehmens wissen, was Sie vorhaben.«
Marais schwieg eine Weile, als denke er angestrengt über eine Antwort nach. »Was würden Sie denn empfehlen?«
»Ich muss wissen, was Sie vorhaben. Wenn die Zor sich ergeben, werden Sie dann in Ihrer Rolle als Dunkle Schwinge einen Vertrag mit ihnen schließen?«
»Sicher. Alles spricht dafür, dass sie sich dann auch daran halten werden.«
»Ich glaube, sie werden alle Bedingungen akzeptieren, die Sie ihnen momentan stellen. Die Chancen stehen also gut, dass die Kämpfe vorüber sind. Sollten sie sich dennoch zur Gegenwehr entschließen, dann besitzen wir genug Feuerkraft, um sie zu vernichten. So oder so stellen sie keine Bedrohung mehr für uns dar. Aber was ist, wenn sie sich entschließen, ihrer Existenz als Spezies ein Ende zu setzen, wie es Hyos HeYen in der Verwerfung angedeutet hat? Was werden wir dann tun?«
»Tun?« Marais lehnte sich zurück. »Was können wir dann überhaupt tun?« Nach kurzem Schweigen sah er zur Wandkarte. »Ich könnte mir vorstellen, dass wir sie gewähren lassen.«
Der Gedanke an einen Massenselbstmord von diesen Dimensionen ließ es ihm kalt den Rücken hinunterlaufen, darum redete Sergei rasch weiter: »Wenn es keine Zor mehr gibt, dann hat die Menschheit keinen Feind mehr. Damit wäre die Arbeit der Flotte getan. Und dann? Zurück ins Imperium?«
»Ich hatte immer auf eine Rückkehr gehofft. Das Ende des Krieges könnte für die Admiralität und den Imperator durchaus Grund genug sein, über kleine Meinungsverschiedenheiten hinwegzusehen und …«
»Ich muss Ihnen widersprechen, Admiral. Meuterei geht wohl kaum als kleine Meinungsverschiedenheit durch. Und selbst wenn dieser Krieg einen Helden hervorbringt, wird es für viele andere keine Siegesparade geben. Indem ich mich für diese Mission entschied und mir klar machte, wie wichtig es ist, sie bis zum Ende durchzuziehen, habe ich alles geopfert, was ich je als meine Karriere angesehen habe. Der Imperator würde mir nicht mal ein Aircar anvertrauen, nachdem ich Ihnen gegen seinen ausdrücklichen Befehl gefolgt bin.«
»Bereuen Sie Ihre Entscheidung?«
»Natürlich nicht, Sir. Aber selbst wenn, würde es doch jetzt nichts mehr ausmachen, oder? Für Offiziere wie Alyne Bell, Marc Hudson, Yuri Okome und mich war das hier wichtiger als die Navy-Karriere. Es war wichtiger, weil wir sonst die beste Gelegenheit vertan hätten, die Zor zu besiegen, nur weil ein paar hundert Lichtjahre entfernt einige Leute kein Blut sehen und ihren Auftrag nicht richtig erledigen können. Vor eineinhalb Jahrhunderten überzeugte eine Gruppe von Offizieren, die uns ganz ähnlich war, einen anderen Admiral davon, dass die heimische Regierung korrupt und nicht in der Lage war, die Ausweitung des Territoriums der Menschheit im All zu steuern. Diese Offiziere trafen die Entscheidung, ihre Loyalität einem anderen Mann zu erklären. Niemand hat Ihnen bislang eine Krone auf einem Samtkissen präsentiert, aber Sie können sich der Loyalität all dieser Menschen gewiss sein. Das bedeutet, sie wollen Sie als denjenigen sehen, der die Richtung vorgibt. Wohin Sie diese Leute auch führen wollen, sie werden Ihnen folgen.«
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Aus genau diesem Grund ist es so wichtig, dass Sie ihnen Ihre Absichten erklären. Nicht nur mir, damit ich Ihnen einen Rat geben kann, sondern der ganzen Flotte. Ich glaube, jeder da draußen hat eine solche Erklärung verdient.«
»Also gut«, gab der Admiral zurück. »Informieren Sie alle Commander, dass ich in zwei Wachen eine Ansprache an die gesamte Flotte halten werde. Ich brauche eine Weile, um meine Gedanken zu ordnen. Sie alle sollen ihre Erklärung bekommen.« Er faltete die Hände. »Und dann werden wir diese Sache zum Abschluss bringen.«
Eyeh HeNa’a, Sprecher
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