BE (German Edition)
aufnehmen, hat sehr viel mit Bernd zu tun.
Nicht nur Bernds Ästhetik und sein Frauenbild finden in »Das Mädchen Rosemarie« den Weg auf die Leinwand, auch Bernds Melancholie, sein enges Verhältnis zu seiner Schwester – gespielt von seiner Exfreundin Hannelore Elsner – und seine zu diesem Zeitpunkt resignierte Haltung zu Sex und Liebe spiegeln sich wider. Heiner Lauterbach trägt in dem Film den gleichen weißen Kaschmirschal wie Bernd – höchstwahrscheinlich stammt er sogar aus Bernds Schrank –, und die Wohnzimmerszene, in der er mit seiner Verlobten – gespielt von Bernds damaliger Freundin Katja Flint, die er herrichten ließ wie seine Mutter –, drehte Bernd tatsächlich in seinem eigenen Wohnzimmer. Das Zitat zu Beginn des Films »Komm mit mir in die weite Welt. Etwas Besseres als den Tod findest du überall« aus »Die Bremer Stadtmusikanten« hatte Bernd schon 1992 in sein Tagebuch geschrieben. Er war damals wohl als Aufmunterung an sich selbst gemeint. Der deutsche Schäferhund des neureichen Industriellen heißt zwar nicht »Wodka«, aber immerhin »Schampus«. Auch verschiedene Aussagen von Rosemarie stammen direkt aus der Bernd-Eichinger-Schule-der-Melancholie:
»Ihr verliebt euch und heiratet. Und trotzdem kommt ihr zu einer wie mir. Dann tobt ihr und heult euch aus. Weil eure Weiber so fad sind und ihr nur noch Angst habt, alt zu werden.«
»Die Liebe ist ein Klebstoff, der nur kurz hält.«
»Ich bin nicht so gebildet wie du, aber eins weiß ich genau: Es gibt nur zwei Dinge auf der Welt, die zählen, Geld und Sex.«
Bernd Eichinger, der Verführer. Genau das hat ihn für die bürgerliche Gesellschaft so suspekt gemacht. Die »guilty pleasure« seiner Filme hat man sich gegönnt, aber Bernd aufnehmen als einen der ihren? Nie im Leben! Wie er selbst in seinem Tagebuch schrieb, Bernd wurde für seinen Erfolg respektiert, aber nicht für seine Arbeit. Die bürgerliche Gesellschaft ließ sich von ihm verführen, aber fraglich ist, ob sie ihn jemals in ihre Mitte aufgenommen hat. Zu wenig kunstbeflissen war sein Kino, zu wenig hat er sich nach den Regeln des Gesellschaftsspiels verhalten. Den Zorn der bürgerlichen Gesellschaft in seiner vollen Schlagkraft bekam Bernd zu spüren, als er 2005 wagte, in ihr inneres Sanctum vorzudringen und Wagners »Parsifal« zu inszenieren. Die wilden Buhrufe und Verrisse, die da auf ihn einprasselten, hatten nichts mit der Inszenierung selbst zu tun. Es war wie die Steinigung einer Hure, die es wagt, die Kirche zu betreten.
Über diesen Aspekt in Bernds Biographie habe ich mich mit Tom Tykwer im Sommer 2011 unterhalten:
Die Ballsaalszene in »Das Mädchen Rosemarie« erinnert mich an die Szene der Orgie in »Das Parfum«. In beiden Szenen erreichen die Protagonisten die ultimative Verführung, niemand kann sich ihnen entziehen. Und doch merken sie: Es ist ein Pyrrhussieg. Es war alles umsonst.
TT: Ja, alle sind für einen kurzen Moment magnetisiert von einer Person, von dieser Lichtgestalt, die hervortritt und alle verzaubert, aber in sich selbst todtraurig ist.
Ich muss hier an Bernds Preis für sein Lebenswerk denken, den er von der Filmakademie bekommen hat. Da standen sie alle und haben ihm zehn Minuten lang applaudiert. Es war sicher ein Höhepunkt seines Lebens. Aber wirklich erlöst war er ja nicht. In meinen dunklen Momenten frage ich mich: War das auch ein Pyrrhussieg? War das auch so ein »Das Mädchen Rosemarie«- bzw. »Das Parfum«-Moment?
TT: Ich glaube nicht, dass Bernd todtraurig war. Er hatte eine melancholische Seite, aber der Bernd, den wir beide kannten, war ein überwiegend glücklicher Mensch. Ein froher Mensch.
Ja, er wusste, er wird sehr geliebt, und das hat er genossen. Das hat ihn froh und zufrieden, ja glücklich gemacht. Nur wenn ich diese Szenen in diesen Filmen jetzt sehe, macht mich das ganz traurig.
TT: Die Einsamkeit seiner Helden, davon hat er viel gewusst. Aber mit vertrauten Menschen war er auf jeden Fall glücklich. Das weiß ich. Das hat er ja auch oft gesagt. Bernd konnte ja herrliche Liebeserklärungen machen. Ohne Scham.
Das stimmt … Welche Rolle hat deiner Meinung nach »Das Mädchen Rosemarie« in seiner Karriere gespielt?
TT: Durch »Das Mädchen Rosemarie« hat meiner Ansicht nach überhaupt sein reflektiertes Verhältnis zu sich selbst als Künstler begonnen. Dieses Verhältnis war zuvor, so glaube ich, für ihn immer mit Scham behaftet. Er hatte ein Selbstbild von sich als
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