BE (German Edition)
dort den Silbernen Bären für die beste Regie. Ich selbst sah »Der Zementgarten« damals in einem vollbesetzten Kino in London. Neben Mike Leighs »Nackt« war das für mich persönlich einer der wichtigsten Filme der neunziger Jahre. Charlotte Gainsbourg hat seitdem eine Weltkarriere hingelegt und ist einer der größten europäischen Kinostars. Ihre Mutter Jane meinte nach Bernds Tod zu Andrew, Bernd habe sie in seiner Art immer sehr an Charlottes Vater Serge Gainsbourg erinnert.
Smillas Gespür für Rosemarie
DA s Geisterhaus« war – abgesehen vom amerikanischen und britischen Markt – ein großer Erfolg gewesen. Bernd hatte es genossen, mit Bille August zu arbeiten. Und wenn Bernd etwas genoss, wollte er mehr davon. Also entschloss er sich, einen weiteren Film mit Bille August zu drehen. Bernd hatte von Bille die Fahnen des Romans »Fräulein Smillas Gespür für Schnee« des dänischen Autors Peter Høeg zugeschickt bekommen. Ein geheimnisvoller, atmosphärischer Thriller, der Bernd auch deswegen interessierte, weil ihn das ewige Eis und Polareroberer wie Roald Amundsen und Fridtjof Nansen faszinierten. Mit diesem Stoff würde er selbst die Arktis ein wenig für sich erobern. Also schickte er Martin Moszkowicz nach Kopenhagen und ließ ihn die Rechte mit dem Verlag aushandeln.
Zu seiner Faszination mit den harten Männern des Eises sei gesagt: Bernd hat alles über Amundsen und Nansen gelesen, was er in die Hände kriegen konnte. In seiner Bibliothek stehen Regale voll mit Reiseberichten und Biographien. Das Rennen um die Entdeckung des Südpols zwischen Amundsen und dem Engländer Robert Falcon Scott konnte Bernd im Detail nacherzählen, hatte er doch die Logbücher beider Männer immer wieder gelesen. Dabei hatte er für Scott nur Verachtung übrig und fand es lächerlich, dass Scotts Arroganz und Unvorsichtigkeit als Heldentum ausgelegt wurden. Wie konnte dieser Mann ein Held sein, da er doch versagt und seine Männer in den Tod getrieben hatte? Was für eine perverse Romantik war das nur? Amundsen dagegen war Bernds großes Vorbild. Immer wieder las er mir abends im Bett aus Büchern über ihn vor und zeigte mir auf Karten Amundsens Reiseroute, weil er einfach nicht glauben konnte, was dieser Mann und seine Crew ausgehalten und bewältigt hatten. Von Amundsen hatte Bernd gelernt, wie wichtig es war, schwierige Unternehmungen aufs genauste vorher zu durchdenken und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Dass der Erfolg in der Vorbereitung liegt – dass man sich nie unbedacht auf ein schwieriges Unterfangen einlassen darf –, diese essenzielle Lektion hat Bernd von Amundsen gelernt.
Auch die Eskimos faszinierten Bernd. Deren Weltbild war so anders als alles, was ihm vertraut war. Immer wieder wunderte er sich laut, warum Eskimos nicht für die Zukunft vorplanten, warum sie keine Vorstellung von Himmel, Hölle oder irgendeinem Leben nach dem Tod hätten. Ob das wirklich stimmt, weiß ich nicht, aber Bernd hat es mir so erzählt. Allerdings war ich auch, wenn Bernd wieder einmal zu einem langen Eskimo-Monolog ansetzte, keine gute Zuhörerin. Das führte bei Bernd zu Fassungslosigkeit. Die Vorstellung, dass ihn etwas interessierte, was mich nicht interessieren könnte, war ihm unbegreiflich. Er tauchte so tief in seine Themen und seine Geschichten ein, dass sie für ihn in diesem Moment die Welt bedeuteten.
Die Rechte zu »Fräulein Smillas Gespür für Schnee« waren also in Bernds Besitz, und es konnte losgehen. Das Problem war nur das Drehbuch. Die Drehbuchautorin Ann Biderman, die zuvor »Zwielicht« geschrieben hatte, trieb Bernd in den Wahnsinn. Sie war teuer und unfassbar langsam. Da man auf Grönland drehen musste, war das jährliche Zeitfenster aufgrund der Witterung extrem klein. So sehr Bernd sich auch bemühte, die Drehbuchautorin voranzutreiben, irgendwann war das Zeitfenster wieder geschlossen. Der Film musste um ein Jahr verschoben werden, die gesamte Vorarbeit, die bis dahin in Sachen Casting und Finanzierung betrieben worden war, war also umsonst gewesen. Die Auseinandersetzung zwischen Ann Biderman und Bernd ging so weit, dass die Autorin ihm über ihren Agenten mitteilen ließ, sie weigere sich, mit Bernd in einem Zimmer zu sein. Sie fühle sich von seiner Gegenwart »physisch bedroht«. Die Drehbuchentwicklung war damit endgültig zum Stillstand gekommen. Bernd holte seine Geheimwaffe Andrew Birkin an Bord. Andrew erstellte in kurzer Zeit ein neues Drehbuch. Doch nun gab es
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