BE (German Edition)
Sorge musste man ihr nehmen. Andrew bot deshalb an, Greta Scacchi »final cut« bei den Sexszenen zu gewähren. Er habe genügend Vertrauen in seine Arbeit und war sich sicher, dass Greta am Ende nichts gegen die Szenen einzuwenden hätte und alles höchst geschmackvoll aussehen würde. Scacchi ließ sich überzeugen und erklärte sich bereit, auf Andrews Angebot einzugehen. Alles war wieder in Ordnung. Dann gleich der nächste Kracher: Scacchi verkündete der Produktion, sie sei schwanger! Von Vincent D’Onofrio. Im Klartext: wieder keine Nacktszenen. Andrew: »Bernd hatte das Gefühl, dass sie extra schwanger geworden war, nur damit sie sich vor der Kamera nicht ausziehen musste. Es war natürlich irrational, aber das hat er ihr übel genommen.«
Trotzdem: Die Idee mit dem »final cut« bei Sexszenen merkte sich Bernd. Zuletzt wendete er diese Taktik bei »Der Baader Meinhof Komplex« an, als Nadja Uhl zögerte, sich für eine Sexszene nackt auszuziehen. Nachdem ihr »final cut« gewährt worden war, fühlte sie sich sicher und ging wesentlich mehr aus sich heraus, als Uli Edel sich das hätte vorstellen können.
Scacchis Schwangerschaft bereitete der Produktion enorme Probleme. Der ständig wachsende Bauch musste verdeckt werden. »Und natürlich war sie durch die Hormone sehr emotional. Dazu kam noch, dass Vincent D’Onofrio sie abends nach dem Dreh regelmäßig verunsicherte. Oft rief sie bei Bee und mir zu Hause an und redete nach Drehschluss noch zwei Stunden lang«, so Andrew, der dann am nächsten Morgen einer Hauptdarstellerin mit dicken Tränensäcken unter den Augen gegenüberstand. Bevor gedreht werden konnte, musste sich Scacchi oft erst eine Weile mit Teebeuteln auf den Augen hinlegen, damit ihre Tränensäcke abschwollen. Es war kein angenehmer Dreh. Der ständige Ärger mit der Produktion führte dazu, dass der Film innerhalb der Constantin bald den Titel »Salz auf unserer Vorhaut« weghatte.
Als der Film endlich in Deutschland anlief, machte er dennoch das erwartete Geschäft. Bernd konnte sich den Film nie anschauen, ohne in wüste Schimpftiraden über Greta Scacchi zu verfallen. Trotzdem hat der Film zwei gute Dinge hervorgebracht: das Haus in Pennan und Andrew Birkins »Der Zementgarten«.
Alles, was bei »Salz auf unserer Haut« schiefgelaufen war, lief bei »Der Zementgarten« richtig. Trotz aller Bedenken ließ Andrew die weibliche Hauptrolle von seiner Nichte, also der Tochter von Jane Birkin, spielen: Charlotte Gainsbourg. Obwohl es an ihrem schauspielerischen Talent keinen Zweifel gab, ganz zu schweigen von der familiären Brisanz dieser Casting-Entscheidung (apropos: Gainsbourg hatte zu diesem Zeitpunkt schon den Skandal-Hit »Lemon Incest« mit ihrem Vater Serge aufgenommen), sprach die Schauspielerin zu diesem Zeitpunkt kaum Englisch. Dass sie es schaffte, innerhalb so kurzer Zeit adäquat Englisch sprechen zu lernen, bewunderte Bernd sehr.
Andrew, was hat dich an »Der Zementgarten« so interessiert?
AB: Mich interessieren Geschichten über Inzest zwischen Bruder und Schwester. Nicht unbedingt der sexuelle Aspekt, sondern vielmehr die Idee der absoluten Seelenverwandtschaft. Wenn meine Schwester Jane und ich zusammen in den Urlaub fuhren, dann haben wir in so einer Art Seifenblase gelebt. Nur wir beide existierten in dieser Blase. Der Rest der Welt war außen vor. Es war egal, wo wir uns befanden und wer bei uns war. Es gab nur uns beide. Was ich an »Der Zementgarten« liebe ist die Evolution der Hauptfigur Jack von einem absolut egozentrischen, schlechtgelaunten Teenager zu einer empfindsamen Person, deren Sprechweise zum Schluss fast poetisch ist. Er blüht auf. Ich wollte das Publikum an den Punkt bringen, dass die Zuschauer es wollen, dass die beiden miteinander schlafen – entgegen ihrer Vernunft und gegen das Gesetz. Das ist natürlich etwas pervers.
Wie hat Ian McEwan auf den Film reagiert?
AB: Ich hatte ihn zu einer Privatvorführung für die Crew in London eingeladen. Nach dem Screening kam er zu mir, und ich fragte: »Was halten Sie von dem Film?« Statt einer Antwort gab er mir sein Papiertaschentuch, das ganz durchnässt war von den Tränen, die er während des Films geweint hatte. Er liebte den Film. Danach hatte er öffentlich noch sehr nette Dinge über den Film gesagt, darunter auch, dass es die einzige Verfilmung von einem seiner Bücher ist, die er wirklich mochte.
Der Film lief im Wettbewerb der Berlinale. Zu Bernds großer Freude gewann Andrew
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