BE (German Edition)
können, rief er seinen guten Freund Helmut Kohl an, der wiederum seinen guten Freund Ronald Reagan anrief, seines Zeichens ein gläubiger Christ. Kohl habe Reagan dann von seinem guten Freund Kirch erzählt, der eine tolle Fernsehserie produziert habe, die man den amerikanischen Christen auf keinen Fall vorenthalten dürfe.
Durch den Börsengang bekam die Constantin Film nun sowohl einen Aufsichtsrat als auch einen Vorstand verpasst. Der Aufsichtsrat setzte sich zum einen aus Leuten, die Bernd nahestanden, und andererseits aus Vertretern des Leo-Kirch-Imperiums zusammen. Aufsichtsratsvorsitzender wurde Th omas Haffa, eine der schillerndsten Figuren, die der Neue Markt zu verzeichnen hatte. Nachdem er für Leo Kirch dessen Videovertrieb »Taurus Video« aufgebaut hatte, gründete er mit dem US-israelischen Medienunternehmer Haim Saban die Merchandising Firma EM.TV und vermarktete dabei Brands wie die »Teenage Mutant Hero Turtles«. Nachdem er im Oktober 1997 mit EM.TV an den Neuen Markt gegangen war, mutierte er vorübergehend zum Alchemisten und bewies, dass es tatsächlich möglich ist, wenn nicht aus Blei, so doch aus Überflüssigem Gold zu machen: Der Aktienkurs von EM.TV stieg von anfangs 0,38 Euro pro Aktien auf bis zu 110 Euro. Das Unternehmen war zumindest auf dem Papier zwischendurch mehr wert als die Lufthansa. Haffa war nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender, sondern seiner Firma EM.TV gehörte auch ein großes Aktienpaket der Constantin.
Vorstandsvorsitzender wurde Bernd, und der Vorstand bestand auch weiterhin aus Martin Moszkowicz, dem Verleihvorstand Th omas Friedl und dem Finanzvorstand Daniel Wiest.
Zum offiziellen Börsengang versammelte man sich in Frankfurt. Die Glocke läutete, das Geschäft begann, und mit einem Schlag hatte Bernd Millionen virtuelles Geld auf dem Konto. Für eine kurze Zeit konnte die Firma aufatmen. Endlich war genügend Cash vorhanden. Auch Leo Kirch, den Bernd nur mit Schwierigkeiten vom Börsengang hatte überzeugen können, profitierte davon. Für Bernd als Vorstandsvorsitzenden bedeutete der Börsengang Unmengen von Managerpflichten, die ihm sehr lästig waren. Das Managen eines börsennotierten Unternehmens verschlang so viel Energie, die er nun nicht mehr in seine Filme stecken konnte. Auch innerhalb der Constantin hatte sich einiges verändert. Seit er Produktionschef beziehungsweise Produktionsvorstand geworden war, hatte Martin Moszkowicz eine plötzliche Metamorphose erlebt: Vorher war er immer mit Jeans, T-Shirt und einem riesigen Bart wie ein Komparse aus »Easy Rider« herumgelaufen. Nun war er Produktionschef und tauchte eines Tages im Anzug und mit Aktenkoffer im Büro auf. Bernd dachte, das sei ein Witz. Als Martin aber zwei Tage später immer noch im Anzug herumlief, erkannte Bernd: Der meinte es ernst mit der Seriosität. Andere Zeiten waren angebrochen.
Der Schuh des Manitu
AL s ich mich entschloss, Bernds Heiratsantrag anzunehmen und für ihn von London zurück nach Deutschland zu ziehen, hatte ich vor allem eine Sorge: Wie würde ich mit der deutschen Ernsthaftigkeit zurechtkommen? Was ich an England so liebe, ist die Tatsache, dass es zum guten Ton gehört, niemals eine Möglichkeit zu versäumen, einen Witz zu reißen. Gerade der Wortwitz ist im täglichen Miteinander sehr wichtig, ja im Londoner Chaos als Blitzableiter sogar überlebenswichtig. Mit deutscher Ernsthaftigkeit würde man dort vor lauter Stress innerhalb kürzester Zeit eine schreckliche Krankheit oder Drogenabhängigkeit entwickeln. Natürlich entwickeln viele Engländer die auch trotz ihres ausgeprägten Humors, doch der Humor macht sogar die Junkies irgendwie erträglicher (siehe »Trainspotting«). Nach all den Jahren in England hatte ich alle Vorurteile gegenüber dem deutschen Humor verinnerlicht. Als ich dann auch noch die von Bernd produzierte Komödie »Nackt« von Doris Dörrie im Rahmen des German Film Festivals in London gesehen hatte, war ich überzeugt: Der deutsche Humor und ich, wir haben uns einfach auseinanderentwickelt. Ich fand den Film, ebenso wie »Der bewegte Mann«, überhaupt nicht lustig. Wie klumpiger Vanillepudding – die Idee dahinter war ja gut, aber in der Ausführung ungenießbar. Zwar konnten Bernd und ich hervorragend miteinander lachen und albern sein, aber der deutsche Humor im Allgemeinen … nee, das würde schwierig werden.
Meine Bedenken verschwanden auf einen Schlag, als mir Bernd »Der Schuh des Manitu« zeigte. Der Film konnte absolut mit
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