BE (German Edition)
Bernd vor allem über seine Arbeit stattfand, führte ihn dorthin zurück: zum Wort. Wie es in Bernds letztem vollendeten Drehbuch »Zorn« so schön heißt: »Im Anfang liegt das Ende.« Das Wort war ein zentraler Aspekt in der Beziehung zwischen Corinna und Bernd, denn diese Beziehung war eine Herausforderung an Bernd, sich zu definieren. Es war auch ein Ringen um Worte. Mit Corinna lernte Bernd die Berliner Theaterwelt näher kennen, tauchte ein in Ideen und Worte, fand neue geistige Nahrung und Erneuerung. Bernd war auf der Suche nach einem neuen Verhältnis zu sich selbst, zu seinem Erfolg als Geschäftsmann und seinem Bedürfnis nach künstlerischer Befriedigung. Die Beziehung zu Corinna – in all ihrer Dramatik und wechselseitigen Egozentrik – war extrem wichtig in dieser Aus einandersetzung. Außerdem kann Corinna sehr warm und herzlich, ja mütterlich sein. Das brauchte Bernd. Danach sehnte er sich. Klar, sie ist auch eine Theaterdiva mit einem ausgewachsenen Hang zur Drama-Queen. Aber eine Privatvorstellung von einem der größten Theaterstars Deutschlands zu bekommen, ist ein Privileg. Es war ein ständiges Tauziehen zwischen Bernd und Corinna. Aber Bernd hat dabei sicherlich viel über sich selbst gelernt und sich dazu auch von einigen seiner Vorstellungen über Beziehungen verabschiedet.
Um einen Einblick in Bernds Gefühlsleben zu dieser Zeit zu bekommen, hier Aufzeichnungen, die er auf der Rückseite von Drehbuchseiten von »The Calling« machte. Er hatte mir von diesen Aufzeichnungen erzählt, und nach seinem Tod fand ich sie in seiner Schreibtischschublade:
24. Juni 1999
Freitag: Gestrandet in Rom. Die Maschine hat vier Stunden Verspätung, und ich bin in diesem riesigen Areal eingepfercht in einer Ecke, wo man rauchen kann. Eine merkwürdige Erinnerung an die »Raucherecke« aus der Schulzeit.
Gestern hatten Martin und ich das erste Treffen mit Emir Kusturica wegen »White Hotel«. Es war (Flieger überbucht) auch schon sehr improvisiert, wie alles ablief. Emir spielte zusammen mit seinem Sohn (Schlagzeug) in der Gruppe »No Smoking« Gitarre. Ca. 10 000 Leute in einem Park mitten in Rom, openair. Eine Art serbokroatische Zigeunermusik mit viel Energie und Lebensfreude. Total irrational auf diesem weiten Gelände des Parks in Rom. Man spürte sehr die Freude der Band, aber auch des Publikums, dass der Krieg vorbei ist. Eine völlig chaotische Situation, denn wir wussten nicht, wo wir Emir treffen sollten, um über das Konzept von »White Hotel« zu reden. Als wir in all dem Chaos ankamen, war klar: Heute werden wir nicht viel reden können. Er war bereits zwei Stunden auf der Bühne, vollkommen in seiner Musik, und es war bereits ca. 12 Uhr nachts. Trotzdem wurde es ein gutes Gespräch (etwas besoffen), aber interessant, weil uns klar wurde, dass die beiden amerikanischen Produzenten, die das Projekt an uns herangetragen hatten – unter dem Aspekt, dass sie mit Emir auf Du und Du sind –, uns total belogen haben. Die Situation ist viel mehr die, dass Emir niemals mit diesen beiden »Clowns«, wie er sie nennt, den Film machen wird. Er hält sie für Psychopathen, was wahrscheinlich richtig ist. Wie auch immer. Wir stehen in der Mitte oder sonst wo. Emir und ich hatten einen sofortigen, heftigen Kontakt, und nun will er den Film mit uns machen, aber nicht mit den Leuten, die den Film zu uns gebracht haben. Große Schwierigkeiten, Streitereien und Unbill stehen bevor. Denn so talentiert Emir ist: Wahnsinn liegt in seinem Auge. So! Heute habe ich alle Termine geschmissen, um nochmals mit ihm zu reden. Gutes Gespräch, sehr witzig und sehr inspiriert. Ich liebe Menschen, die alles furchtlos in die Luft werfen und nicht wissen, ob sie es jemals wieder auffangen können. Hinter all dem ist eine große Kompetenz. Das macht Spaß. Eine wilde Lebenslust, Liebe zur Kunst und den Künsten und zum Erfolg. Ja! Es ist Chaos und ein unmögliches, nicht zu durchdringendes Umfeld an: Jetzt!! Und hier. Heißt: Planung ist unmöglich (seine ganze Familie reist mit: Mutter, Band, Frau, Sohn etc. …). Unorganisiert bis zum Ärgernis. Trotzdem redet er vernünftiger über Erfolg als irgendjemand in einem organisierten System, wie z.B. an den Kammerspielen oder Peymann, dessen Interview ich in Der Spiegel über seine Zeit am Burgtheater in Wien und seinen Ausblick auf seine Arbeit am B.E. (Anm.: Berliner Ensemble) in Berlin gelesen habe. Auf eine sehr merkwürdige Weise wirkt das auf mich pubertär,
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