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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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Seine Unterhaltungen mit den Regisseuren waren kreativer Natur. Christine Rothe: »Das Außergewöhnliche an Bernd war allerdings, dass er trotzdem beim Geld Bescheid wusste. Einige Produzenten kennen sich ja nur in der kaufmännischen Seite aus, andere nur in der inhaltlichen. Bernd kannte beides. Idealerweise sollte das ein Produzent auch können. Er sollte einschätzen können, wenn er einen Gedanken ausspricht, welche finanziellen Folgen das haben kann. Wenn ein Produzent sagt: ›Also ich würd’ schon gern sehen, wenn das Atomkraftwerk explodiert‹, dann muss er wissen, dass das teuer wird.«
    Bernd wollte also von Christine wissen, wie viel oder wie wenig »Der Untergang« ihrer Ansicht nach kosten würde. Christine befand sich gerade für Dreharbeiten auf Mallorca. Sie stand auf einem Felsvorsprung und blickte aufs Meer, als ihr Handy klingelte.
    Bernd: »Hast’ mein Drehbuch gelesen?«
    Christine: »Ja, hab ich.«
    Bernd: »Und? Was meinst’, was wird das kosten?«
    Christine: »Keine Ahnung … da müsste ich erst ’ne Kalkulation machen.«
    Bernd: »Ah geh. Du musst doch ’ne Vorstellung haben!«
    Christine: »Nee … also …«
    Bernd: »Also, jetzt sagsts’ mir ’ne Zahl … komm, sag mir, wie viel denkst du …«
    Bernd ließ und ließ nicht locker. Eine halbe Stunde lang bohrte er nach.
    Christine: »Also … pass auf. Wenn wir tief, tief, tief in den Osten gehen … dann kann ich mir vorstellen, dass wir das für 12,5 Millionen Euro hinkriegen.«
    Bernd: »Aha! Ja … ja … zwölf Komma fünf … ja, so was hab ich mir auch gedacht.«
    Mit ihrem Vorschlag in Osteuropa zu drehen, brach Christine Rothe ein Tabu. Die Constantin Film – so war es bisher gewesen – drehte nicht im Osten. Tschechien oder Polen wurden als Billigländer abgetan. An Russland hatte damals noch nicht einmal Christine gedacht. Während also auf der Chefetage der Constantin nur Bernd und Fred Kogel (laut Bernd der Einzige innerhalb der Führungsriege, der dieses Filmvorhaben unterstützte) an »Der Untergang« glaubten, machte Christine sich gemeinsam mit dem Produktionsdesigner Bernd Lepel auf die Suche nach einem geeigneten Drehort. Bernd Lepel, das muss man dazusagen, hatte schon das Produktionsdesign von »Der Zementgarten« gestaltet und dann zum ersten Mal mit Bernd bei »Vera Brühne« zusammengearbeitet. Bernd hat Bernd Lepels feine, empfindsame Art sehr geschätzt. Bernd Lepel wurde – genau wie Christine Rothe, Alexander Berner (Schnitt), Rainer Klausmann (Kamera), Birgit Missal (Kostüm), Jürgen Olczyk (Standfotograf), Waldemar Pokromski (Maske), Roland Winke (Sound) und vielen anderen – Mitglied der Bernd-Eichinger-Film-Familie. Also zu denen, die ich immer noch als meine erweiterte Familie betrachte. Bernd Lepel sollte uns später auch helfen, unsere neue Wohnung einzurichten. Und er hat Bernds Grabstein entworfen.
    Christine Rothe und Bernd Lepel arbeiteten sich durch ganz Europa – von Berlin bis Estland und Bulgarien … jeder mögliche Drehort wurde in Erwägung gezogen. Aber überall wären zu viele Computereffekte nötig gewesen. Solche waren nicht nur viel zu teuer, sie sahen auch furchtbar aus. »Bloß keine graue CGI-Brühe!«, lautete Bernds Parole auch noch bei »Der Baader Meinhof Komplex«. Die Kalkulationen lagen immer noch bei 21 Millionen Euro. Viel zu teuer also. So würde man den Film nicht machen können. Bis Bernd Lepel auf einmal auf seine leise Art sagte: »Also, wie wär’s eigentlich mit St. Petersburg?« Christine: »St. Petersburg!? Da wollte ich immer schon mal hin!« Christine schrieb an Bernd und Martin Moszkowicz, die sich beide gerade in L. A. befanden, dass Bernd Lepel und sie nach St. Petersburg fahren wollten, um sich die Stadt mal näher anzuschauen. Postwendende Antwort: »Habt Ihr noch alle Tassen im Schrank!?« Christine machte dann Bernd in einem Telefonat deutlich, dass außer St. Petersburg alle Alternativen ausgeschlossen worden seien. Wenn sich St. Petersburg als unmöglich erweisen sollte, würde er den Film nicht drehen können.
    Die Erkundungsreise nach St. Petersburg erwies sich als erfolgreich. Auch Oliver Hirschbiegel, den Bernd als Regisseur für den Film gewinnen konnte, ließ sich überzeugen. Auf Hirschbiegel war Bernd gekommen, nachdem er dessen Film »Das Experiment« gesehen hatte. Die Art, mit der in diesem Film Klaustrophobie und emotionaler Druck erzeugt worden waren, machte Hirschbiegel für Bernd zum idealen Regisseur für »Der Untergang«.

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