Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
Vom Netzwerk:
Selbst Regie zu führen lehnte Bernd ab. Zu tief saß dafür die Enttäuschung, die er nach »Der große Bagarozy« erlebt hatte, zu wenig traute er sich das selbst zu. Er hatte schon das Drehbuch geschrieben und würde den Film produzieren. Seiner Meinung nach war eine weitere starke Stimme im Film wichtig. Sonst – so die Angst – würde er womöglich wieder in seinem eigenen Saft ertrinken.
    Martin Moszkowicz machte sich große Sorgen. Aus St. Petersburg beziehungsweise Russland hatte er bisher nur Horrorgeschichten gehört. Produktionen waren erpresst worden, die russische Mafia hatte den Produzenten Millionen von Schutzgeldern abgeknöpft, Gelder waren einfach so verschwunden. Christine Rothe ließ sich von all dem nicht beeindrucken. Sie hatte im Internet eine Firma aufgetan, Globus Film, die in St. Petersburg als Serviceproduzenten unter anderem auch schon an einem James-Bond-Film gearbeitet hatten. Ohne viel mehr über diese Firma zu wissen, traf sich Christine Rothe mit den beiden Frauen, die die Firma leiteten. Es war Sympathie auf den ersten Blick. Ja, so Christines Entschluss, mit Yana Bezhanskaya und Natalia Smirnova würde sich die Chose schon schaukeln lassen. »Dass wir die beiden gefunden haben, war unser großes Glück. Klar braucht man sehr viel Security in Russland. Unser Produktionsbüro hatte auch eine Eingangsschleuse. Aber am wichtigsten in Russland ist, dass man einen Paten hat, der schützend die Hand über einen hält. Und den hatten die beiden Frauen von Globus. Natürlich ist er nie in Erscheinung getreten. Wir haben auch nicht nachgefragt. Wir haben einfach das getan, was die beiden Produzentinnen uns geraten haben«, so Christine Rothe. In ihrem ersten Produktionsgespräch mit den beiden russischen Produzentinnen fragte Christine sehr direkt, wie viel Geld man denn für die Mafia im Budget veranschlagen sollte. Antwort: »Mafia? Wir haben hier keine Mafia.« Und wenn im Budget plötzlich fünfzig Milizen für die Absperrungen veranschlagt wurden, auch wenn man vielleicht nur zehn Leute gebraucht hätte, dann war Christine klug genug, nicht nachzuhaken. »Wir haben den Produzentinnen unser Budget genannt, und bis auf 2000 Euro ist genau dieses Budget abgerechnet worden. Es ist nichts vorgefallen. Wir hatten noch nie so sicher gedreht wie in St. Petersburg.«
    Obwohl Christine Rothe überzeugt war, dass der Dreh in St. Petersburg klappen würde und Bernd Lepel großartige Motive gefunden hatte, war Bernd Eichinger noch nicht überzeugt. Er wollte nicht in St. Petersburg drehen. Trotzdem fuhr er dorthin, um sich die Sache anzuschauen: Christine Rothe wartete schon am Flughafen auf Bernd, steuerte ihn geschickt am nicht funktionierenden Gebäckband vorbei und fuhr ihn ins Hotel Astoria, wo in der Lobby schon das ganze Team wartete. Ein Leuchten ging über Bernds Gesicht. Als er dann noch in ein Restaurant geführt wurde, wo es weiße Tischtücher und Bœuf Stroganoff gab, war er vollkommen glücklich. Bernd sollte während des gesamten Drehs jeden Tag in genau dieses Lokal zurückkehren und jeden Tag Bœuf Stroganoff bestellen. Wie gesagt, wenn Bernd etwas mochte, dann wollte er es immer und immer wieder. Abwechslung war für ihn ein Schreckgespenst.
    So harmonisch und glücklich der Dreh von »Der Untergang« auch war, natürlich gab es auch hier Probleme und Nadelöhre. Seltsamerweise wurde das auf den ersten Blick größte Problem, nämlich dass nun Deutsche ins ehemalige Leningrad kamen, um hier den Zweiten Weltkrieg nachzuspielen, sowohl von russischer als auch von deutscher Seite ignoriert. Es war, als hätte die Belagerung Leningrads vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 durch die Wehrmacht, bei der mehr als eine Million Zivilisten starben, nicht stattgefunden. Zu Beginn der Dreharbeiten legte Christine Rothe am Friedhof für die Opfer des Zweiten Weltkrieges einen Kranz nieder, aber weder die deutsche noch die russische Presse thematisierten die außerordentliche Begebenheit dieser Dreharbeiten. Auch die Tatsache, dass die Soldaten in »Der Untergang« von echten russischen Soldaten gespielt wurden, schien seltsamerweise niemandem wirklich bemerkenswert. Diese Soldaten waren froh, sich etwas dazuzuverdienen und sich am Filmset ausruhen zu können. Jürgen Olczyk, der Setfotograf, erzählte, dass er eines Tages am Set gestanden hatte, um Fotos von der Szene zu machen, als Traudl Junge, gespielt von Alexandra Maria Lara, Soldaten der Roten Armee gegenübersteht und durch

Weitere Kostenlose Bücher