BE (German Edition)
Hitler-Bunker! Wer wollte denn so was nach einem harten Tag im Büro schon sehen? Und billig würde das auch nicht werden! Dazu kam noch, dass Martin Moszkowiczs Vater ein Auschwitz-Überlebender war. Martin hatte einfach ein Problem mit einem Film über die letzten Tage Hitlers, in dem der Holocaust nicht vorkommt, die Deutschen aber aus seiner Sicht als Opfer Hitlers dargestellt werden. Bernd sah das anders, denn für ihn beschrieb der Film das Spannungsverhältnis zwischen Kollektiv und Einzelperson. Aber obwohl er Martins Meinung nicht teilte, akzeptierte er sie.
Letztendlich war – wie so oft im Leben – auch die Frage, ob »Der Untergang« verfilmt werden würde, eine Frage des Geldes. Bernd wusste: Bei diesem Film musste er das Budget so klein wie möglich halten, um das Risiko für die Constantin Film zu minimieren und damit den allgemeinen Widerstand gegen den Film zu umschiffen. Aber wie klein konnte das Budget sein? Das war die Frage aller Fragen, und für eine Antwort rief Bernd seine Herstellungsleiterin Christine Rothe an.
Bernd hat einmal sehr liebevoll über Christine Rothe gesagt: »Christine hört schon an der Art, wie ich Luft hole, was ich gleich sagen werde. Aber sie lässt mich immer ausreden und hört mir aufmerksam zu.« Christine Rothe war in den zehn Jahren vor Bernds Tod seine rechte und seine linke Hand. Sie war seine Herstellungsleiterin und ist in dem, was sie in ihrer Karriere und als Frau geleistet hat, einzigartig in der europäischen Filmindustrie. Jedenfalls kenne ich keine andere Frau im europäischen Filmgeschäft von ihrem Kaliber.
Christine Rothe erzählte mir über ihr Verhältnis zu Bernd:
Als ich bei der Constantin anfing, wurden in der Industrie Wetten abgeschlossen, wie lange ich es denn in diesem Männerladen aushalten würde. Die Constantin Film war damals eine Schlangengrube. Intrigen über Intrigen. Da gab es Frauen, mit denen ich früher als Produktionssekretärin gearbeitet hatte und die das überhaupt nicht gut fanden, dass ich nun in der Hierarchie über ihnen stand. Ich habe das einfach so gut es ging ignoriert, meinen Job gemacht, und eben akzeptiert, dass man an den Bernd Eichinger einfach nicht rankam. Aber eigentlich wollte ich da wieder weg. Dann hatte mich Doris Dörrie auch noch von ihrer Produktion »Bin ich schön?« gefeuert. Ein Film, den Bernd produziert hat. Sie war in mein Büro gekommen, die Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt und hat gesagt »Also, Christine, wenn du Krieg haben willst, kannst du Krieg haben …« Natürlich wollte ich keinen Krieg. Aber ich wurde trotzdem gefeuert und war darüber sehr deprimiert. Plötzlich klingelte mein Telefon. Es war Bernd, der aus L. A. anrief. Es war das erste Mal, dass ich direkt von ihm hörte. Er versuchte mich aufzubauen. Doris hätte ihm auch mal Set-Verbot erteilt. Er wisse, wie scheiße sich das anfühlt, und ich solle deswegen bloß nicht die Flinte ins Korn werfen und bei der Constantin kündigen. Das hat mir wieder Mut gegeben, und inzwischen ist das Kriegsbeil mit Doris längst wieder begraben. Nachdem ich dann einige seiner anderen Produktionen – u. a. »Der große Bagarozy«, »Vera Brühne« und »Knallharte Jungs« – durchgezogen hatte, nahm er mich zur Seite und meinte: »Mensch Christine, du bist ja richtig gut!« Ich hab ihm geantwortet: »Ach, und es hat fünf Jahre gedauert, bis du das gemerkt hast?«
Um Bernds Scheu zu erklären: Ein Produzent ist seinen Herstellungsleitern absolut ausgeliefert. Herstellungsleiter ziehen für den Produzenten die Produktionen durch, das heißt er / sie stellt das Budget zusammen und muss garantieren, dass das Budget eingehalten wird. Gleichzeitig sind Herstellungsleiter dafür zuständig, die Crew zusammenzustellen. Wenn es Probleme gibt, muss ein guter Herstellungsleiter den Produzenten früh genug davon in Kenntnis setzen, damit der Produzent noch reagieren kann. Wenn der Produzent von dem Problem erst erfährt, wenn der Super-GAU schon eingetreten ist, dann ist das Verhältnis zwischen Produzenten und Herstellungsleiter gestört. Gleichzeitig dürfen Herstellungsleiter nicht wegen jeder Lappalie zum Produzenten rennen, damit sich dieser auf inhaltliche Fragen konzentrieren kann und das große Bild nicht aus den Augen verliert. Bernd wollte sein Verhältnis zu Regisseuren nicht dadurch zerstört sehen, dass er mit ihnen Zahlenreihen durchexerzierte oder sich mit ihnen über Kosten unterhielt. Dafür war Christine zuständig.
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