BE (German Edition)
Bild . Allerdings waren Bernds Beweggründe, diesen Chefredakteuren den Film vorzuführen, nicht nur strategischer Natur. Er wollte wissen, wie sie den Film politisch einschätzten, er wollte sich vergewissern, dass es okay war, diesen Film auf das deutsche Kinopublikum loszulassen. »Bernd wollte meine Meinung hören, wie dieser Film auf jemanden wirkt, der sich zwar in der Materie auskennt, aber ansonsten nichts mit dem Film zu tun hatte«, erinnert sich Stefan Aust, »Ich war extrem beeindruckt, denn der Film rückte das ins Bild, was man zwar wusste, aber so noch nicht gesehen hatte. Den Wahnsinn dieser unterirdischen Existenz im Bunker, die die Realität, die sich außen abspielt, einfach nicht wahrhaben will.«
Die Resonanz dieser ersten Vorführungen war somit viel positiver, als Bernd es sich erhofft hatte. Der Spiegel machte den Film zu einer Titelgeschichte. Allerdings sah Bruno Ganz in Maske und Kostüm Adolf Hitler so ähnlich, dass man auf das Titelblatt »Bruno Ganz als Adolf Hitler« schreiben musste, damit niemand dachte, man würde eine Großaufnahme von Hitler präsentieren. Auch die Bild und die FAZ stellten sich mit aller Entschiedenheit hinter den Film. Doch all das schien den Rest der deutschen Medienlandschaft nur noch mehr aufzuregen. Eine Hysteriewelle schwappte über Deutschland, wie Bernd sie nicht vorhergesehen hatte. Ja, »Der Untergang« war zum Politikum geworden. Doch der Preis dafür war, dass sich dieses Politikum vor allem an seiner Person festmachte. Er musste Anfeindungen einstecken, die unter die Gürtellinie gingen und die wehtaten. Bernd war der Tabu-Brecher und als solcher wurde er bestraft.
Hier ein paar Auszüge aus den deutschen Pressereaktionen:
»Empören müssten sich alle Historiker, die umgekehrt hoffen und wünschen, dass aus der verbrecherischen Entgleisung eines ganzen Landes doch etwas gelernt und gezogen werden müsse … Darum ist der Film noch nicht dumm. Er ist aber auch nicht klug.«
Jens Jessen, Die Zeit , 26. 8. 2004
»Vielleicht ist Eichinger wirklich der große Naive des deutschen Films.«
Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung , 15. 9. 2004
»Geschmacklos … Es ist bedrückend, dass sich ein Schauspieler wie Bruno Ganz für diese Kolportage hergegeben hat …«
Harald Welzer, Frankfurter Rundschau , 18. 9. 2004
»Die drei Millionen coolen Deutschen, die den Film ohne zu protestieren gesehen haben, sind die perfekten Nachkommen der mehr als drei Millionen Deutschen, die Hitler 1933 gewählt haben … (Bernd Eichinger und Oliver Hirschbiegel haben mit ihrem) opportuni stischen, widerlichen Streifen die Verlogenheit – nein, die Coolheit – ihres Publikums genau getroffen.«
Peter Zadek, Cicero , November 2004
Der britische Historiker Ian Kershaw schrieb über »Der Untergang«: »Einen besseren Film über Hitlers letzte Tage kann ich mir nicht vorstellen.« Obwohl Kershaw weltweit durch seine zweiteilige Adolf-Hitler-Biographie Aufsehen erregte und als einer der führenden Geschichtsexperten für das Dritte Reich und Adolf Hitler gilt, wurde seine Meinung in Deutschland weitgehend ignoriert. Kershaw schrieb mir übrigens nach Bernds Tod, wie bewegend und aufwühlend es für ihn war, den Film damals zum ersten Mal zu sehen. Aber der Name Ian Kershaw schien in Deutschland – sehr zu Bernds Unverständnis – niemanden zu interessieren. Wessen Meinung die Medienlandschaft aber sehr wohl interessierte, und Bernd schockierte, war die von Wim Wenders.
Wim Wenders veröffentlichte am 21. Oktober 2004 einen Artikel in der Zeit , in dem er sich seinen Zorn über den Film von der Seele schrieb. Vor allem wirft er dem Film vor, dass er trotz all des Mordens und Sterbens, das er zeigt, bei Hitlers Selbstmord »Pietät« walten lässt. Dass er nämlich Hitlers Befehl an seinen Adjutanten Wünsche respektiert und sein Leichnam nicht zur Schau gestellt wird. »Alles sieht man in ›Der Untergang‹, nur Hitlers Tod nicht! Der Mann gibt sich (und seiner Eva) hinter verschlossener Tür das Gift und die Kugel. So wie Hitler sich abwendet, wenn seine Schäferhündin Blondie stirbt, so wendet sich der Film ab, wenn der Führer stirbt.«
Für Bernd, der eine große Zuneigung und natürlich große Achtung für Wenders empfand, war das ein tiefer Schlag in die Magengrube. Dennoch: Er beruhigte sich wieder. Wenders war sein Freund. Freunde haben das Recht, die Kontrolle über ihre Emotionen zu verlieren. Hitler würde ihre Freundschaft nicht
Weitere Kostenlose Bücher