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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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zerstören. Denn Gott sei Dank ist Hitler tot. Bernd hätte sich gewünscht, dass Wenders seinen Zorn über »Der Untergang« in einem persönlichen Brief Bernd direkt mitgeteilt hätte und nicht in einem Zeitungsartikel in der Öffentlichkeit. Bernd hätte Wenders gerne erklärt, dass er Hitlers Selbstmord nicht hatte zeigen können, weil es dazu keine Augenzeugenberichte gibt. Und wie hätte er die Szene auch schreiben sollen? Hitler schaut seiner Eva noch einmal tief in die Augen, dann wischt er ihr eine Träne von der Wange und jagt sich dann die Kugel durch den Kopf? Der Film wäre zur Schmonzette ausgeartet. Außerdem wollte Bernd dem Publikum – im Gegensatz zu Quentin Tarantinos »Inglourious Basterds« einige Jahre später – die Genugtuung eines toten Hitler nicht gönnen. Einige Leute haben »Inglourious Basterds« als »Jewish Porn« bezeichnet. Bernd und ich waren damals bei der Premiere in Berlin dabei. Sie fand etwa 500 Meter vom Holocaust Mahnmal am Potsdamer Platz statt. Wir waren angewidert vom hysterischen Lachen des Publikums, wenn in dem Film Juden das tun, was die Nazis taten und diesen mit Messern Hakenkreuze in den Bauch schlitzen. »Inglourious Basterds« machte in unseren Augen Juden zu Nazis. Und wenn der Film zeigt, wie Hitler von einem Maschinengewehr durchlöchert wird, dann liefert er einen billigen money shot , den Bernd seinen Zuschauern nicht geben wollte. Ja, Hitler ist tot, aber in den Köpfen vieler Menschen ist er noch am Leben. Ulrike Meinhof schrieb einmal den Artikel »Hitler in Euch«. Eine arrogante Feststellung, weil sie sich damit selbst als unantastbar erklärte. »Der Untergang« zeigt den toten Adolf Hitler nicht, denn Bernd – der ja eine große Achtung vor Meinhofs Intellekt hatte – hätte dem Artikel einen anderen Titel gegeben. Er hätte ihn »Hitler in uns« genannt.
    Wim Wenders und Bernd haben sich wieder vertragen. Als »Der Untergang« nicht für den Deutschen Filmpreis nominiert wurde, regte sich Wenders darüber sehr auf. Das hatte der Film seiner Ansicht nach nicht verdient. Bernd, der ja die Deutsche Filmakademie 2003 gegründet hatte, war zu stolz, um sich seinen Ärger anmerken zu lassen. Er setzte seine Sonnenbrille auf, sagte zu seiner Tochter Nina »das ziehen wir jetzt durch« und ging trotzdem zur Preisverleihung. Beim Cocktailempfang vor Beginn der Verleihung sah er Wim Wenders im Raum stehen. Die beiden hatten sich seit Wenders Artikel in der Zeit noch nicht ausgesprochen. Aber wie gesagt, Freundschaft ist stärker und wichtiger als ein Film. »Da stand ich also auf diesem Cocktailempfang, und auf einmal haut mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich ganz erschrocken um, da steht da Bernd vor mir und breitet die Arme aus. Wir haben uns ganz fest umarmt. ›Hast dich abgeregt?!‹, hat er nur gesagt und schallend gelacht. Das war so herzlich und aus voller Brust«, erinnert sich Wenders. »Meine Frau Donata stand dabei und meinte, wir hätten beide Tränen geheult – auch vor Lachen, denn es war auch komisch … das war Bernds Art und Weise, die Glaswand, die zwischen uns beiden entstanden war zu durchbrechen. Wir waren beide richtig froh. Er hat dann schon gesagt, ich müsste da schon noch mal mit Oliver Hirschbiegel darüber reden, denn den hätte das schwerer getroffen als ihn, Bernd. Das hab ich dann auch noch mal gemacht.«
    Es war einer von diesen Momenten im Leben, die man nicht vergisst. Als Bernd und ich nach dem Premierenmarathon von »Der Baader Meinhof Komplex« im September 2008 den Canal Grande in Venedig hinabfuhren, sahen wir von unserem Wassertaxi aus ein riesiges Foto von Wim Wenders auf einem der Wasserbusse prangen. Es war ein recht windiger Tag, und unser Boot schwankte in den Wellen. Bernd ließ unseren Taxifahrer den Wasserbus verfolgen und so lange davor auf und ab fahren, bis er ein Foto von mir gemacht hatte, wie ich vor dem Wim-Wenders-Wasserbus in die Kamera winke. Dieses Foto schickten wir dann Wenders als Gruß aus Venedig.
     
    Im Sommer 2011 sprach ich mit Wim Wenders über Bernd:
     
    Du und Bernd — ihr wart wie zwei gegenüberliegende Pole derselben Welt …
WW: Ja, Bernd war wirklich der Gegenpol zu mir. Ich habe den Autorenfilm bis zum Exzess betrieben. Bernd dagegen hat das Produzentenkino in Europa erfunden. Das gab es ja bis dahin nicht. Es gab nur das Autorenmodell. Bernd hat neu erfunden, dass der Produzent eine andere Art von Autor geworden ist. Ich habe erst später angefangen zu

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