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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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genießen, dass einem der Produzent Dinge abnehmen kann und dass es nicht so wahnsinnig wichtig ist, alles zu kontrollieren, solange man seine Freiheit hat. Selbst zu produzieren kostet eben sehr viel Kraft, Zeit und Konzentration, die einem dann manchmal bei der Regie fehlt. Und manchmal sitzt man in der Zwickmühle und fragt sich: Soll ich jetzt als Regisseur oder als Produzent denken? Irgendwann war ich dann ganz froh, dass ich das habe sein lassen. Das wäreder Zeitpunkt gewesen, wo Bernd und ich hätten ernst machen und einen gemeinsamen Film machen können.
Dieser Wunsch existierte schon, oder?
WW: Immer, wenn wir uns begegnet sind, war unser Standardsatz »Wir müssen endlich mal was zusammen machen!« Es war nur eine Frage, das richtige Projekt zu finden.
Obwohl ihr ja sehr unterschiedliche Einstellungen zum Narrativen hattet. Für Bernd war Kino die Manipulation bzw. das Erzeugen von Emotionen …
WW: Genau. Ich dagegen habe mich zwar formell vom amerikanischen Kino beeinflussen lassen – also z. B. bei meinem ersten Film »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« ist fast jede Einstellung formell von Hitchcock geklaut –, aber mit der komplexen emotionalen Beeinflussung des Zuschauers wie bei Hitchcock hatte ich nichts am Hut. Dieses Einbauen von Absichten, das Konstruieren von Intentionen entspricht mir nicht. Ich habe es bei Bernds Filmen immer bewundert, wie er das beherrscht hat – nicht nur beim Film selbst, sondern auch beim Marketing. Also bis in Details hinein, die unsereiner meistens nicht mehr im Griff hat. Davor hatte ich immer größte Hochachtung. Man hat seine Handschrift noch bis in die Vermarktung gespürt.
Auch Bernds Einstellungen sind in dieser Hinsicht zum Schluss weicher geworden. In »Der Baader Meinhof Komplex« hat er bewusste Schritte zurück getan und bestimmte emotionale Register eben nicht gezogen. Die üblichen emotionalen Schemata und Erzählstrukturen hatten begonnen ihn zu langweilen.
WW: Ich hätte nichts dagegen gehabt, ein Drehbuch von Bernd zu verfilmen. Natürlich wäre eine Zusammenarbeit auch ein weiterer Lernprozess gewesen. Bernd war wie ein Bruder für mich. Ich bin vier Jahre älter als er. Bernd hatte so eine Power, die habe ich sowohl gemocht als auch neidlos anerkannt. Ich hatte bei Bernd auch nie das Gefühl, dass er mir etwas wegnimmt. Das war umgekehrt genauso. Es gab nie Neid. Im Gegenteil. Wir haben uns gegenseitig füreinander gefreut.
     
    In Bezug auf »Der Untergang« bedauerte Bernd nur eines: Albert Speer, Hitlers Architekt und von 1942 bis Kriegsende Hitlers Reichsminister für Bewaffnung und Munition, war seiner Ansicht nach im Film zu gut weggekommen. Szenen, die Speers Verbrechen und Schuld verdeutlicht hätten, seien – so Bernd – beim Schnitt geopfert worden. Dies bereute Bernd, vermittelte es doch den Eindruck, als sei auch er der Selbststilisierung Speers als »Gentleman Nazi« auf den Leim gegangen.
    »Der Untergang« wurde mit 4,6 Millionen Zuschauern allein in Deutschland ein massiver Erfolg. Auch im Ausland wurde der Film gefeiert. Ich kann mich noch an die riesigen Plakate in der Londoner U-Bahn erinnern. Man betrat den U-Bahn-Tunnel und starrte direkt auf das Gesicht von Bruno Ganz als Adolf Hitler. Darüber stand groß die Schlagzeile: »Th is film has a happy end: He dies!« Mit Verwunderung beobachteten wir in England die Hysterie, die »Der Untergang« in Deutschland auslöste. All die Verbote, mit denen das Thema in Deutschland besetzt war und immer noch ist, existieren in England nicht. Wer 2003 beim Glastonbury Festival beim Auftritt von Primal Scream dabei war und deren Performance von »Swastika Eyes« erlebt hat, weiß: In Großbritannien ist Hitler schon längst Teil der Pop-Folklore geworden. Im schlimmsten Fall führt das zu Geschmacklosigkeiten – siehe Prince Harrys Halloweenkostüm –, im besten Fall zu einem angstfreien Umgang mit dem Trauma des 20. Jahrhunderts.
    Dennoch hatte Bernd, der schon vorher seinem Körper mit Alkohol sehr viel zugemutet hatte, der Kinostart von »Der Untergang« sehr viel Kraft gekostet. Er war von allen Seiten angegriffen worden, und diese Angriffe waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Zwar hatte ihm der damalige Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, seine Unterstützung angeboten, aber Bernd wollte es alleine schaffen. Spiegel hatte den Film gesehen. Er sah auch, unter welchem persönlichen Druck Bernd stand. Deswegen kam er auf ihn zu und bot ihm an, dass er,

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