BE (German Edition)
sitze und wir beide in die Kamera lachen, davorgestellt.
»Burn-out« würde man heute über Bernds damaligen Zustand sagen. Bernd überstand diese Erfahrung, ohne Psychopharmaka zu nehmen. Sein Arzt päppelte ihn auf, half seinem Körper wieder, die Seele zu nähren. So war diese Phase nach ein wenig mehr als vier Wochen ausgestanden. Aber die Erfahrung hatte ihn zutiefst erschreckt. Seine Seele war also nicht unangreifbar. Sowohl sein Körper als auch sein Gemüt konnten jederzeit außer Kontrolle geraten. Für einen Mann, der immer so selbstverständlich zwischen Kontrolle und Kontrollverlust oszilliert hatte, war die Möglichkeit, dass der Kontrollverlust permanent sein könnte, ein Schock. Das Schreckgespenst Depression sollte er nie ganz vergessen. So erfolgreich »Der Untergang« auch war, er wäre beinahe Bernds Untergang geworden.
»Der Untergang« versöhnte Bernd mit Hollywood, denn der Film brachte ihm dort die Anerkennung, die er immer gesucht hatte. Nicht nur, weil er für einen Oscar nominiert wurde. Er gilt dort als richtungsweisender Klassiker, und jeder Filmemacher hat ihn gesehen. Jahre später sollte »Der Untergang« sein eigenes Leben in den Köpfen seines internationalen Publikums entwickeln und zu einem vorher noch nie da gewesenen YouTube-Phänomen im Internet werden. YouTube-Benutzer begannen, die Szene, in der Hitler erfährt, dass er den Krieg verloren hat und einen Tobsuchtsanfall bekommt, mit ihren eigenen englischen Texten zu untertiteln. In diesen YouTube-Parodien, die teilweise millionenfach angeschaut wurden, regt sich Hitler über die unterschiedlichsten und teilweise banalsten Themen auf. Sei es nun ein Spielerwechsel bei Manchester United, die Finanzkrise, das neue iPad, Barack Obamas Besuch in Berlin, sogar über den Mangel an Parkplätzen in Tel Aviv gibt es eine »Untergang«-Parodie – mit hebräischen Untertiteln! Ganze Webseiten widmeten sich nur diesem Thema. Die Constantin Film sah darin eine Copyright-Verletzung. Bernd dagegen war begeistert. In einem Interview mit dem amerikanischen Journalisten Richard Huffman erklärte Bernd: »Ich finde diese Parodien wahnsinnig amüsant! Ganz offensichtlich feuert diese bestimmte Szene die Phantasie der Leute an. Was kann man sich sonst als Filmemacher erhoffen? Das ist ›movie making heaven‹!«
Bernd und ich haben sehr viel über diese Parodien geredet. Was er so faszinierend daran fand, war die Tatsache, dass diese Parodien den tobsüchtigen, brüllenden, kindischen Diktator in uns allen verdeutlichen. Genauso wie Charlie Chaplin Hitler in »The Dictator« der Lächerlichkeit preisgegeben hat, wird ihm auch hier der Sonderstatus des furchterregendsten Monsters des zwanzigsten Jahrhunderts entrissen. Damit schließt sich der Kreis, der für Bernd mit »Der Name der Rose« begann: Nichts ist entwaffnender und damit anarchischer als das Lachen. Es gab sogar eine Parodie, in der Hitler von Bernds Tod unterrichtet wird. Ich denke, Bernd hätte das gefallen.
Aromatherapie
WÄ hrend »Der Untergang« entstand, lag die Arbeit an »Das Parfum« natürlich nicht brach. Bernd hatte die Rechte ja mit einem Bankkredit erworben, daher tickte die Zinsuhr. Die gesamte Filmwelt war gespannt darauf, mit welchem Regisseur Bernd den Stoff verfilmen würde. Bernd schickte das Buch an seinen alten Freund David Lynch mit der Frage, was er denn davon halte. Die postwendende Antwort lautete: »I hate it.« Nun gut. Wenigstens eine klare Antwort. Auch mit Martin Scorsese trat Bernd in Kontakt. Das Problem war nur, dass Martin Scorsese darauf bestand, Bernd solle zu ihm ins Büro kommen. Das wollte Bernd nicht. Nicht so sehr aus Egogründen, sondern weil zu diesem Zeitpunkt so viel öffentliche Aufmerksamkeit auf das Projekt gerichtet war, dass Bernd wusste: Wenn ihn irgendjemand in Martin Scorseses Büro sieht, würde es sofort heißen, dass Bernd »Das Parfum« mit Scorsese verfilmte. Jemanden wie Scorsese trifft man nicht einfach nur so zum Gedankenaustausch. Außerdem hatte jemand wie Scorsese immer zig Projekte gleichzeitig in der Entwicklung. Bernd stand wie gesagt aber unter Zeitdruck. Wie sollte er wissen, dass »Das Parfum« nicht einen langsamen Tod in der Drehbuchentwicklung sterben, Scorsese das Interesse verlieren und Bernd zum Schluss mit einem Haufen Schulden dasitzen würde?
Auch ein Treffen mit Tim Burton fand statt. Bernd verehrte Burton sehr, und Burton kam für das Treffen extra nach Berlin. Diese Begegnung kann am besten als
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