BE (German Edition)
noch einen Computer besaß und bedienen konnte, löst immer wieder Verwunderung aus. Eine Uhr besaß er übrigens auch nicht. Das mit dem Computer war sicherlich eine gute Idee, denn Bernd hatte nicht einmal eine Nanospur von technischem Talent.
Allerdings begann Bernd sich zunehmend für meinen Computer zu interessieren. Wenn ich mir morgens die Nachrichten-Websites durchlas, schaute er mir regelmäßig über die Schulter. Nach kürzester Zeit wusste er ganz genau, wie man Informationen im Internet fand. Nur dass er sich weigerte, den Computer selbst zu bedienen. Das sollte ich für ihn tun! Er sah die Computermaus mit einem Ekel an wie andere Leute eine Ratte in der Speisekammer. Weil es mir aber irgendwann zu bunt wurde, zeigte ich ihm, wie die »aufwärts« und »abwärts« Pfeile auf der Tastatur funktionieren. So konnte er zumindest längere Texte selbst lesen. Mit einigem Widerwillen, aber dann doch auch Stolz, ließ er sich darauf ein. Bernd mit Laptop auf den Knien – das war ein wirklich außerordentlicher Anblick, der mich jedes Mal zum Lachen brachte.
Dass Bernd kein Handy hatte, war ein Luxus, den er sich leistete. Es war auch der einzige Weg, dem alltäglichen Wahnsinn seines Jobs gewisse Leitplanken zu geben. Diesen Handyzwang, die Tyrannei der ständigen Erreichbarkeit, der sich Menschen beugen, empfanden wir beide als unverständlich. Werbung suggeriert uns, dass Handys Luxusobjekte sind, dabei sind es doch Instrumente der Unterwerfung. Durch das Smartphone wird man plötzlich zum Eigentum eines Unternehmens. Die Erreichbarkeit ist ein Diktator. Deswegen reagierte Bernd übrigens höchst allergisch, als ihn seine Assistentin Marianne im Puff aufstöberte und ihn wissen ließ, dass eine dringende Geschäftsangelegenheit anstand. Er war genau deswegen in den Puff gegangen, um garantiert unerreichbar zu sein. Aber eben genau so funktioniert es, wenn man als Geschäftsmann heutzutage kein Handy hat: Man braucht einen Stab an Mitarbeitern um einen herum, die immer mehr oder weniger wissen, wo man sich aufhält.
Irgendwann fiel mir auf, dass Bernd bei fast allen wichtigen Telefonaten nur seine weißen Unterhosen trug. Das war natürlich nicht beabsichtigt, nur irgendwie ein seltsamer Zufall, der irgendwann zum Regelfall zu werden schien. Es gibt ja Produzenten, die den ganzen Tag in Bademänteln herumlaufen. Bernd trug stattdessen in entscheidenden Momenten seine weißen Calvin-Klein-Boxershorts. Auch bei seinem Gespräch mit Bruno Ganz, als er diesen überzeugte, die Rolle von Horst Herold in »Der Baader Meinhof Komplex« zu spielen, war das so. Die Nachricht, dass er den Ehrenpreis der Filmakademie für sein Lebenswerk bekommen würde, erhielt er, als er in Boxershorts auf dem Bett in Los Angeles saß. Iris Berben war am Telefon. Ich befand mich im Zimmer und merkte, dass Bernds Stimme plötzlich hocherfreut und überrascht klang. »Aber klar nehme ich den an … nee, ich fühle mich wirklich geehrt, danke!« oder so ähnlich war seine Antwort. Als er den Hörer auflegte, war er ganz verdattert. »Die wollen mir den Ehrenpreis für mein Lebenswerk geben!«, schaute er mich etwas perplex und gleichzeitig erfreut an. Ich hab ihn umarmt, und wir haben gelacht. Das war ein toller Moment. In der Limousine auf dem Weg zum Filmpreis habe ich ein Foto von ihm gemacht: Er trägt eine Sonnenbrille, um die Augen zu verstecken, und lächelt mich vorsichtig an. Bernd hatte Angst, dass man ihn ausbuhen könnte oder dass der Applaus verhalten und damit für ihn beschämend ausfallen würde. So groß, glaubte er, sei die persönliche Ablehnung vonseiten der Mitglieder der Filmakademie. Dann ging Bernd auf die Bühne und hielt die Rede, die er sich vorher auf einem Notizblock des Hyatt Hotels aufgeschrieben hatte. Ich habe die zwei Zettel aufgehoben, nachdem ich sie im April 2010 verknittert und verschwitzt in seiner Smokingjacke beim Kofferauspacken gefunden hatte. Der tosende, fast zehn Minuten andauernde Applaus, der dieser Rede folgte, hat Bernd den Atem verschlagen. Es war ein großes Glück, was ihm da widerfahren ist. Da war er Bernd Eichinger.
Bernds Notizen zu seiner Dankesrede für den
Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk.
Es gab keinen Alltag für Bernd, es gab kein »normal«. Genau um das zu vermeiden, war er ja Filmemacher geworden. Wenn wir einmal länger in München waren, dann lief das meistens so ab, dass er irgendwann vormittags, nachdem er oft bis spät in der Früh im Bett gelesen hatte,
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