BE (German Edition)
Heartbreak-Hotel-Atmosphäre in unser Haus gebracht hat.
Ansonsten wurde die Atmosphäre im Haus von Andreas, Gudrun und Ulrike beherrscht. Es war, als würden sie beim Abendessen mit uns am Tisch sitzen und streiten. »Der Baader Meinhof Komplex« war harter Tobak. Gerade während Bernd das Drehbuch schrieb, war er zerrissen von seinen ständig wechselnden Sympathien, von seinen Zweifeln und seinen Erinnerungen an die siebziger Jahre. Immer wieder fiel er in depressive Löcher, aus denen ihn letztendlich nur Galgenhumor retten konnte. So wurde ein Satz von Ulrike Meinhof aus einem Interview, das Helma Sanders Brahms mit ihr führte, kurz bevor Meinhof in den Untergrund ging, zu einem geflügelten Wort zwischen uns: »Es ist schwer … es ist einfach unheimlich schwer …« Was soll man auch sonst sagen, wenn gerade ein achtseitiger Brief von Meinhofs Tochter Bettina Röhl das Faxgerät verstopft hat? Auch ein Satz, den Bernd im Drehbuch Andreas Baader in den Mund legte, wurde zu einem stehenden Ausdruck: »Was issn’ das für ’ne scheiß bourgeoise Fragestellung?!« Es ist ganz erstaunlich – dieser Satz ist in den unterschiedlichsten Lebenslagen anwendbar. Ganz besonders gut funktioniert er als Retourkutsche bei nervenden Teenagern oder einfach am Mittagstisch, wenn man gebeten wird, das Salz weiterzureichen.
Bernd schrieb sehr diszipliniert jeden Tag. Abends gab er mir die Seiten zu lesen, und wir redeten noch mal drüber, was ihn bewegte, an welcher Stelle möglicherweise noch Kraft fehlte und wie kondensiert werden konnte. Uli Edel kam oft vorbei, um mit Bernd über das Drehbuch zu sprechen. Der Zeitdruck war groß: Schon im Sommer sollte gedreht werden. Dabei hatte Bernd noch gar keine Besetzung. Ohne Drehbuch keine Schauspieler! Bernd gab alles. Am letzten Tag, als er den letzten Satz geschrieben hatte, saßen wir beim Abendessen zusammen. Als er vom Tisch aufstehen wollte, sackte er in sich zusammen, und ich konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er zu Boden fiel. Auf mich gestützt, ging er die paar Schritte hinüber zum Sofa. Er lag so lange in meinen Armen, bis es ihm wieder besserging. Bernd hatte bis zum Umfallen geschrieben.
Fotografieren verboten:
Bernd beim Drehbuchschreiben
(gezeichnet von Katja Eichinger)
Let’s make a movie together!
IN dem er mich heiratete, wagte es Bernd, alles auf eine Karte – eine Frau – zu setzen. Für jemanden, der das Unterteilungssystem so perfektioniert hatte wie Bernd, ein riesiger Schritt. Sicherlich hatte er dabei mit einigen Ängsten zu kämpfen, aber mit denen hat er mich nicht belastet. Das Abenteuer Zweisamkeit erlebte er auch während des Drehs von »Der Baader Meinhof Komplex« mit Uli Edel. Uli und Bernd, zwei Brüder im Geiste, kamen hier wieder zusammen und bewegten sich harmonisch wie zwei Th ai-Chi-Boxer. Alles klickte perfekt ineinander: Rainer Klausmanns dynamische Kamera, Christine Rothes präzise und vorausschauende Herstellungsleitung, Bernd Lepels detailgetreue und stimmige Sets, Birgit Missals lässige und dennoch zurückgenommene Kostüme, Waldemar Pokromskis Perücken, die auch Bernds Ansprüchen gerecht wurden, und natürlich Alex Berners sagenhafter, kinetischer Schnitt. So kam es, dass dieses immense Filmunternehmen mit einem Team von 130 Leuten, 123 Sprechrollen und 140 Motiven an 74 Drehtagen für weniger als zwanzig Millionen Euro abgedreht werden konnte – mit echten Explosionen und so gut wie keinen digitalen Spezialeffekten. Für Hollywoodverhältnisse ein Ding der Unmöglichkeit. Vielleicht weil die Thematik so brutal und gewalttätig ist, ging es am Set sehr harmonisch zu. Auch das Ensemble bestehend aus Martina Gedeck (als Ulrike Meinhof), Moritz Bleibtreu (als Andreas Baader), Johanna Wokalek (als Gudrun Ensslin), Bruno Ganz (als Horst Herold), Nadja Uhl (als Brigitte Mohnhaupt), Stipe Erceg (als Holger Meins), Niels Bruno Schmidt (als Jan-Carl Raspe) sowie einer erstklassigen Riege von deutschen Schauspielern arbeitete ohne jegliche Allüren zusammen. Übrigens – und das passt zu Bernds Amüsement mit Astrologie –, als wir eines Abends im Borchardt zusammen saßen, mussten wir irgendwann feststellen, dass bei »Der Baader Meinhof Komplex« sehr viele Widder beteiligt waren. Neben Bernd und Uli sind auch Rainer Klausmann, Christine Rothe und Alex Berner Sternzeichen Widder. Ich bin auch einer. So entstand das Foto vom »Widder Tisch.«
Uli, der alte Revoluzzer, hatte Tränen in den Augen, als wir am ersten Drehtag
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