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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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Unterlassungen und Fehlern der Älteren auseinandersetzen muss oder verstehen will, was man aus diesen lernen soll. Das dritte war die Frage der Grenzüberschreitung – nicht nur die Grenze zwischen Legalität und Illegalität, sondern auch politischer Wirksamkeit und ethischem Handeln. Und schließlich die Sicht auf den Staat als eine bewaffnete Macht, die man sowohl theoretisch als auch praktisch verstehen muss. Zu meinem Erstaunen ergaben sich aus dieser Filmvorstellung weitere Treffen, denn die Leute gingen weg und lasen »Das Kommunistische Manifest« sowie Lenins »Staat und Revolution«. Das Manifest war eine Überraschung für alle, weil sie erwartet hatten, dass es einen Plan für einen neuen Staat enthalten würde, und dann sahen, wie human und eloquent diese Schrift doch war. »Staat und Revolution« war auch interessant, weil es sie zwang, neu über Nichtregierungsorganisationen nachzudenken. Das war alles sehr fruchtbar, sehr anregend.«

Zwischenwelten
    DI e »Awards Season«, also die Zeit vor den Golden Globes, den britischen BAFTAs und den Oscars, war anstrengend gewesen. Dass »Der Baader Meinhof Komplex« für diese drei wichtigsten Preise in der Kategorie »Bester nichtenglischsprachiger Film« nominiert worden war, war einerseits eine große Bestätigung und Freude für Bernd gewesen, andererseits ein riesiger Stress. Diese Kategorie ist vor allem für die Independent-Abteilungen der Studios, wie zum Beispiel Sony Classics, wichtig, die damit ihre Existenz rechtfertigen. Denn wenn man schon kein echtes Geld mit den ausländischen Filmen machen kann, dann will das Studio wenigstens Preise sehen. Warum sonst der teure Aufwand? Doch die US-Studios hatten »Der Baader Meinhof Komplex« abgelehnt. Deutsche Terroristen, die nackt herumlaufen, Kette rauchen und politische Slogans bellen? Ohne irgendeine echte Handlung? Nein, viel zu teutonisch. Also musste Bernd und die Constantin Film die Oscar-Kampagne weitgehend selbst stemmen. Das hieß Annoncen in den Branchenblättern schalten, sicherstellen, dass die entscheidenden Leute den Film sehen, das öffentliche Profil des Films heben. Manche Leute tun das mit der Vergabe von goldenen Uhren und Einladungen in Luxushotels. Das war nicht Bernds Stil. Wer will schon eine gekaufte Auszeichnung? »Der Baader Meinhof Komplex« war kein Favorit. Das wusste er. Dazu waren die Kritiken aus Deutschland zu schlecht gewesen. Außerdem sind Oscar- oder Golden-Globe-Nominierungen beziehungsweise -Gewinner oft emotionale Dramen mit einer sentimentalen Komponente. In diese Liste passte dieser Film nun überhaupt nicht. Deswegen war die Golden-Globe-Nominierung schon eine großartige Überraschung. Bernd und ich gingen gemeinsam mit Nina und natürlich Uli Edel und seiner Frau Gloria zur Veranstaltung. Es waren meine zweiten Golden Globes, doch genau wie beim ersten Mal Auslöser eines massiven Adrenalinstoßes: die lange Reihe an Limousinen, die vielen Helikopter, ganz zu schweigen von der geballten Star-Power in einem so kleinen Saal.
    Von der Oscar-Nominierung erfuhren wir in München. Wir saßen auf heißen Kohlen in einem schlechten Restaurant und aßen schlechten Tafelspitz. Bernd fühlte sich nicht wohl. Endlich dann der Anruf von Tanja Goll: »Baader Meinhof« ist nominiert! Sofort begann mein Handy zu klingeln, und Bernd begann Anweisungen für die Pressemitteilung ins Handy zu poltern. Der eine Stress war nahtlos in den nächsten übergegangen. Das war doch kein Zustand. Also meinte ich zu Bernd: »So, und jetzt stell ich mein Handy aus, und wir nehmen uns die Zeit, diesen Moment zu genießen!« Bernd entspannte sich und begann zu lächeln. »Fuck me, jetzt haben der Alte und ich denen noch mal gezeigt, was ’ne Harke ist«, lachte er. Die Erleichterung wusch durch uns hindurch. Das Ziel war erreicht. Wir wussten, »Baader Meinhof« würde nicht gewinnen. Dieser Augenblick, in dem wir uns jetzt befanden, war der eigentliche Gewinn.
    Die Oscar-Party für »Der Baader Meinhof Komplex« fand im Sunset Marquis Hotel statt. Uli Edel, Martina Gedeck, Johanna Wokalek und Moritz Bleibtreu waren zur Preisverleihung gegangen, während wir in der Bar vom Sunset Marquis die Veranstaltung über Monitore verfolgten. Zum Glück bewahrheitete sich Courtney Loves Song »Sunset Marquis« nicht, in dem sie droht »this will end in tears with all lost and none found«. Es war ein magischer Abend, besonders als Uli und die Schauspieler zurückkamen, Bernd eine Rede hielt und wir

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