BE (German Edition)
Titelgeschichte, die Bernd und mich fast genauso freute, wie die Spiegel -Geschichte: Die taz hatte ein ganzseitiges Foto von »Der Baader Meinhof Komplex« auf den Titel gesetzt und dazu die Schlagzeile »Ein starkes Stück«. Der taz -Kulturchef Andreas Fanizadeh hatte genau verstanden, was Bernd und Uli mit dem Film aussagen wollten:
»(Uli Edel und Bernd Eichinger) haben sich – dreißig Jahre nach 1977 – getraut, die Ereignisse unverkrampft und nicht moralisierend zu erzählen. Das ist auch heute noch mutig, da eine Distanzierung von etwas, womit die meisten nichts zu tun haben und hatten, unausgesprochen zu den Spielregeln des Betriebs gehört (…). Herausgekommen ist ein »Baader-Meinhof-Komplex«, ein Film, der die Geschichte, anders als im Sülz deutscher Betroffenheitsnachdenklichkeit lange üblich, über die Handlung erzählt und es dabei schafft, vielschichtig zu bleiben.«
Das von der taz zu hören, von der Zeitung, die im Zuge des Tunix-Kongresses, also im Zuge der Abwendung von Gewalt entstanden war, war einfach klasse. Fanizadeh war mit seiner Meinung allerdings relativ allein in der deutschen Medienlandschaft. Die Schimpftiraden, in die sich der Rest der Presse ergoss, hatten fast schon etwas Erotisches: Ein wirklich erzürnter Michael Althen sprach in der FAZ von »Polit Porn«, Der Tagesspiegel von »Baller Meinhof«, Die Frankfurter Rundschau von »Belmondo Baader«, und Ulrike Meinhofs Tochter Bettina Röhl kritisierte den Film als »größtmögliche Heldenverehrung«. Es waren alles sehr aufgeregte Artikel, von denen die einen »Der Baader Meinhof Komplex« als glorifizierenden Täterfilm sahen, die anderen als »haltungslos«, »mutlos« und »unentschieden«, und die dritten als unreflektierten Action-Quatsch.
So groß war die Aufregung in Deutschlands Medien, so omnipräsent der Film, es gab nur ein Problem: »Der Baader Meinhof Komplex« war überhaupt noch nicht im Kino! Auf dem Film lag eine Woche vor Start so ein großer Druck – fast hätte er zu einer Implosion geführt, weil die Zuschauer des Themas überdrüssig wurden. Schließlich konnte niemand an der medialen Diskussion teilhaben, weil keiner den Film gesehen hatte. Bernd meinte, er hätte das einen Tag zu spät gemerkt. Wie alles an diesem Film hatte auch die öffentliche Diskussion ein Momentum an den Tag gelegt, das ihn überraschte. Wenn er es einen Tag früher gemerkt hätte, hätte er den Kinostart um eine Woche nach vorne gezogen. So war es aber zu spät, was ihn, seiner Ansicht nach, mehrere Hunderttausend Zuschauer kostete.
Eine weitere Überraschung, allerdings eine wesentlich bedrohlichere, war der Anschlag auf Stefan Austs Haus in Hamburg in der Nacht vor dem Kinostart. Dabei waren Wurfgeschosse in den Kinderzimmern gelandet. Bernd konnte sich nicht vorstellen, dass der Film in der linksradikalen Szene solche Aggressionen auslösen würde, aber der Anschlag hatte ja auch zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem die Täter den Film noch gar nicht gesehen haben konnten. Es war genau die Hiobsbotschaft, vor der Bernd sich gefürchtet hatte. Wenn eine Anschlagsgefahr bestand, würden die Kinos leer bleiben. Der Anschlag wurde also, soweit es ging, heruntergespielt.
Die Nachricht vom Anschlag auf Stefan Austs Haus ereilte uns, als wir in Zürich saßen, wo »Der Baader Meinhof Komplex« auf dem Filmfestival lief. Ehrengast des Filmfestivals war Captain America höchstpersönlich: Peter Fonda. Nach der Vorstellung kam es zu einem dieser surrealen Momente, für die ich dem Leben wirklich dankbar bin: Das Filmfestival hatte eine Party veranstaltet, die seltsamerweise in einem Kaufhaus stattfand. Ich dachte mir »Huh? Kaufhausbrand? Ist das jetzt ironisch gemeint?«, aber der Ort des Partygeschehens hatte in Zürich offensichtlich schon eine gewisse Tradition. Der VIP-Bereich befand sich in der Haushaltswarenabteilung, was dazu führte, dass ich plötzlich mit Bernd, Peter Fonda und dessen Freundin an einem langen Tisch vor dem Regal mit Stoffservietten und Topflappen saß. Dazu muss ich erwähnen, dass ich »Easy Rider« mindestens schon sechzig Mal gesehen habe. Er gehört zu den Meilensteinen meiner Jugend. Und da saß nun Captain America und erzählte Bernd, wie großartig er »Der Baader Meinhof Komplex« fand und wie tief ihn dieser Film im Herzen ansprechen würde. Und dann lehnte er sich zu Bernd nach vorne und meinte doch tatsächlich … mir stockt der Atem, während ich dies hier schreibe … »We
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