BE (German Edition)
rief er Uli an, der sofort vorbeikam und die Halterung montierte.
Noch während des Studiums half Bernd in den Bavaria Studios aus, wo es für die Bühnenarbeiter ein Spaß war, den Filmstudenten das Leben schwer zu machen. Nach Drehschluss sollte Bernd die großen Stromkabel wieder auf die riesige Holzspule rollen, nicht wissend, dass man diesen Job eigentlich nur zu zweit erledigen kann. »Aber natürlich wollte ich mir vor denen keine Blöße geben! Also hab ich stundenlang mit diesem Kabel herumgehuracht, bis es wieder aufgerollt war«, erinnerte sich Bernd an seine ersten Arbeitserfahrungen in den Bavaria Studios. 1971 erlebten Bernd und Uli dort das ultimative Initiationserlebnis: Uli arbeitete damals als einer von vielen Schnittassistenten für den legendären Cutter Hannes Nikel, der gerade für die Bavaria-Produktion »Monty Python’s Fliegender Zirkus« schnitt und später für Wolfgang Petersens »Das Boot« weiteren Ruhm gewinnen sollte. Über Nikel erlangten Uli und Bernd Zugang zum streng abgeriegelten Set des Films »Cabaret«, den Bob Fosse damals mit Liza Minelli in den Bavaria Studios drehte. Bernd blieb von den »Cabaret«-Dreharbeiten vor allem eine Lektion in Erinnerung: »Am Anfang hatten sie Chorus-Tänzerinnen aus Deutschland. Du wirst es nicht glauben, aber die waren einfach nicht fit genug! Die haben nach ein paar Stunden schlapp gemacht und konnten nicht mehr. Schließlich mussten sie Chorus-Tänzerinnen vom New Yorker Broadway einfliegen lassen, weil dort der Standard einfach viel höher ist! Ich fand es absolut erstaunlich, dass es da solche Unterschiede gibt«, erzählte er mir, als wir uns einmal »Cabaret« gemeinsam anschauten. »Der Amerika-Anruf« war der Trick, den Bernd in seiner Karriere immer wieder anwenden musste. Nicht zuletzt bei »Das Parfum« gab es während der Dreharbeiten einen Punkt, an dem die Nerven des Regisseurs und der reibungslose Verlauf der Dreharbeiten nur dadurch gerettet werden konnten, indem die Erlösung per erster Klasse aus Hollywood eingeflogen wurde.
Als Praktikant wurde Bernd dem jungen Peter Zenk zugeteilt, der damals in der Bavaria als festangestellter Aufnahmeleiter arbeitete. Zenk war nur wenige Jahre älter als Bernd, und gemeinsam sollten sie an Hans W.Geißendörfers Film »Marie« arbeiten. Eine schicksalsträchtige Erfahrung für beide, denn Zenk sollte viele Jahre später nicht nur Bernds erste Produktionsfirma Solaris übernehmen, sondern auch für Bernd die legendären Filme »Manta Manta« und »Voll normaaal« produzieren.
»Marie« war nicht nur wegen der Begegnung mit Peter Zenk ein lebensweisender Film für Bernd, sondern vor allem weil er kurz vor dem Vorstellungsgespräch für diesen Praktikantenjob die Begegnung mit einer Kraft machte, die ihn sein gesamtes Leben begleiten sollte. Bernd stand vor dem Bavaria-Gebäude, wo das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte. Vor diesem Gebäude auf dem Bavaria-Gelände, wo heute die Tonmischung durchgeführt wird und in dem unter anderem »Das Parfum« und »Der Baader Meinhof Komplex« gemischt wurden, befindet sich ein geteerter Parkplatz. In diesen Parkplatz ist ein kleiner Gully eingelassen. Bernd hat ihn mir mehrmals gezeigt. Vor seinem Vorstellungsgespräch stellte sich Bernd zufällig auf diesen Gully und schaute auf die Tür, die da vor ihm lag und die er nun gleich für sein Vorstellungsgespräch durchschreiten würde. »Und ich stand da so auf diesem Gully. Und auf einmal hab ich so eine total wilde, quirlige, unberechenbare Energie gefühlt. Auf einmal hab ich sie vor mir gesehen: diese zotteligen Gullygeister, die unter der Stadt leben. Das sind Kobolde, weißt du? Bei denen kannst du nie wissen, ob sie dir Gutes wollen oder ob sie ihren Spaß mit dir haben. Diese Gullygeister habe ich beschworen, dass sie mir helfen sollen, diesen Job zu bekommen!« Diese Geschichte erzählte mir Bernd schon bald, nachdem wir uns kennengelernt hatten und er auf dem Weg vom Auto zu seiner Wohnung auf jedem Gully stehenblieb, nach unten starrte und so einen Moment verweilte. Wie sich herausstellte, war das sein tägliches Ritual. Bernd konnte an keinem Gully vorbeigehen. Er musste zumindest darüber hinweg gehen. Und die Gullys vor seinem Wohnungseingang, die waren ganz besonders wichtig. Angefangen vom Tag seines Vorstellungsgesprächs für »Marie« – das positiv verlief und damit endete, dass Bernd den Job bekam –, spielten die unberechenbaren Gullygeister eine wichtige Rolle in seiner
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