BE (German Edition)
einem arabischen Basar. Es wird gelogen, betrogen, gezockt und viel heiße Luft geredet. Aber natürlich wird auch viel ge- und verkauft, denn irgendetwas muss ja in den Kinos laufen. Dabei werden auch die Rechte von Filmen verkauft, die noch gar nicht existieren, oder von denen oft nur ein Drehbuch existiert. Die Verleiher der einzelnen Länder bezahlen vorab die Verleihrechte für einen Film, von dem sie hoffen, dass er erfolgreich sein wird, und tragen so zur Finanzierung eines Filmes bei. Wenn ein Film im voraus an genügend Verleiher vorverkauft wurde, kann dies genügen, um einen Film zu großen Teilen durchzufinanzieren. Natürlich ist das immer ein Roulette. Niemand kann vorhersagen, ob ein Film gut sein wird und noch weniger, ob dieser Film dann auch irgendjemanden interessiert. Weder ein Oscar-Gewinner als Hauptdarsteller noch ein hochbejubelter Regisseur, nicht einmal ein phantastisches Drehbuch sind eine Garantie dafür, dass ein Film gut, geschweige denn erfolgreich wird. Filmemachen ist ein Glücksspiel. Und am Anfang eines jeden Filmmarktes kommen die Ein- und Verkäufer wie Zocker zum Roulettetisch und lechzen nach ihrem Adrenalin-Kick. Ein Freund von mir leitet eine internationale Filmverkaufsfirma in London. Halb lachend, halb ernst sagte er neulich zu mir, es sei ihm unmöglich, während der ersten vier Tage eines jeden Filmmarkts mit irgendjemandem eine Unterhaltung zu führen, von dem er kein Geld haben könne. Das war schon 1979 so, als Bernd und Herman erstmals für die Constantin Film nach Cannes fuhren, und das ist heute auch noch so: Die Karten werden gemischt, es wird gedealt. Nach Cannes heißt es dann: Rien ne va plus .
Bernd und Herman, die zwei coolen Sonnenbrillenträger aus Deutschland, waren zum ersten Mal in Sachen Filmeinkauf in Cannes unterwegs. Ganz abgesehen davon, dass Bernd wie gesagt kein Freund vom Glücksspiel war, standen die beiden dem ganzen Betrieb eher zurückhaltend gegenüber.
Mit Herman sprach ich 2011 darüber:
Herman, was war denn so abstoßend an Cannes?
HW: Du hättest die Leute sehen sollen. Da wollte man mit keinem was zu tun haben. Bernd und ich waren mit Abstand die Jüngsten. Du machst dir ja keine Vorstellung, wie verstaubt und spießig es damals auf diesen Filmmärkten zuging. Das war wie eine Vertretergesellschaft … alle anderen sahen aus wie Handelsvertreter. Alles war leicht schäbig. In jedem Büro, in das man in Cannes reinkam, hatte man das Gefühl, die Frauen waren nur dazu angestellt, um die Filmeinkäufer zum Kauf zu animieren. Wir lachten uns natürlich kaputt, wenn einen da ein kleines Bataillon an Frauen in hochhackigen Schuhen mit Riesenausschnitten begrüßte.
Bernd und du, ihr hattet damals eine Verabredung …
HW: Genau. Bernd hat gesagt: »Also Herman, wir machen das jetzt fünf Mal. Fünf Jahre fahren wir da jetzt hin. Danach sind wir dann wahrscheinlich eh zu alt. Außerdem sollten wir in fünf Jahren genug verdient haben, dass wir uns das nicht mehr antun müssen.«
Ganz nach sozialistischem Vorbild hattet ihr also einen Fünfjahresplan …
HW: Nicht nur das – wir hatten Bedenken, dass wir nach fünf Jahren den Kontakt zum Zuschauer verlieren. Also, die Idee war: »Wir sind jetzt gut drauf, mal sehen, ob wir in fünf Jahren immer noch gut drauf sind.« Aber als wir fünf Jahre später immer noch extrem gut drauf waren, meinte Bernd: »Also Herman, legen wir noch mal fünf Jahre drauf, oder?«
Die Zusammenarbeit der vier Geschäftsführer plus Herman verlief auch in Cannes alles andere als harmonisch. Bernd und Herman trafen in Cannes ein und stürzten sich sofort auf die sogenannten »Bumper Issues« der Branchenblätter Variety und Hollywood Reporter , die zu Beginn der Festspiele herausgegeben werden und in denen nicht nur die Filmvorführungen gelistet sind, sondern auch die internationalen Verkäufer mit Anzeigen ihre Filme bewerben.
»Du musst dir das so vorstellen: Damals gab es ja noch kein Internet, und man hatte sehr wenige Informationen darüber, was für Filme auf dem Markt waren. Wenn du dann endlich das ›Bumper Issue‹ der Variety in den Händen hieltest, hast du dich erst mal für ein paar Stunden in dein Hotelzimmer eingeschlossen und über den Seiten meditiert. Hast versucht, dir vorzustellen, welcher Film interessant sein könnte und natürlich auch, wie du ihn vermarkten könntest! Dabei stehst du natürlich total unter Adrenalin, weil du weißt, es geht ums Ganze …«, sagte Bernd, als wir
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