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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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ist, wird es den Leuten nie einleuchten. In Hollywood wurde das später in den Achzigern »high concept« genannt. Bei so einem Film wie »Die Klapperschlange« bzw. »Escape from New York« haben wir das Konzept sogar auf das Plakat geschrieben: »New York 1997 – 10 Millionen Einwohner. Manhattan ein Gefängnis. Einmal drin, kommst du nie wieder raus. Außer du bist John Plissken, die Klapperschlange.« Dieser lange Text stand groß auf unserem Plakat, und unten war dieser kleine Typ, also der Star des Films Kurt Russel.
Warum gibt es so viele schlechte Filme, die trotzdem erfolgreich an der Kinokasse sind?
HW: Das kann in Kunstzirkeln natürlich schnell zu einer Verachtung des Publikums führen. Das haben Bernd und ich immer abgelehnt. Aber natürlich haben wir uns auch über diese Frage Gedanken gemacht. Ich habe dann einen Satz geprägt, den Bernd immer gemocht hat: In jedem Scheißfilm, der ein Erfolg ist, steckt ein guter Film, den die Leute sehen wollen.
     
    Nach den Filmfestspielen in Cannes war man wieder in München. Es ging darum, den einzigen Hoffnungsträger – Romeros »Zombie« – eff ektiv in die Kinos zu bringen. Herman, dessen offizieller Titel »Assistent der Geschäftsführung« lautete, übernahm dabei die Rolle des Kettenhundes. Während Bernd seine Rolle als Diplomat oder Politiker sah, hatte Herman keinerlei Probleme damit, den Leuten ins Gesicht zu sagen, für wie unfähig und geistig beschränkt er sie hielt. Herman schrieb also ein Memo, dass die Geschäftsführung nicht mehr bereit sei, im bisherigen Stil weiterzuverfahren. Natürlich in Abstimmung mit Bernd, dem diese Offensive durchaus Spaß machte. Das Memo war an die Presse- und Werbeabteilung gerichtet, aber es war eine Kriegserklärung an die gesamte Belegschaft. Sobald das Zombie-Memo bei den Leuten auf den Schreibtischen lag, merkte man sofort, wie auf der gesamten Etage die Temperatur rapide sank. Bürotüren schlossen sich plötzlich. Eisige Stille.
    Das Memo tat seine Wirkung. Die Zeiten änderten sich. Das Plakat von »Zombie« kam nicht mehr vom Basteltisch der alten Werbeabteilung, sondern wurde von einem Grafikerehepaar, den legendären Sickerts, angefertigt. Diese waren im Herzen Künstler, Grafikkünstler, und hatten bisher die Plakate für die Autoren des Jungen Deutschen Films, unter anderem auch für Wim Wenders entworfen. Bernd kannte die Sickerts und mochte ihre unverwechselbare Handschrift. Die Pressearbeit funktionierte dann auch, schließlich hatte man dem Pressechef ordentlich eingeheizt. Die »Zombie«-Kampagne war die erste im neuen Stil der Constantin Film, für den das Unternehmen später berühmt werden sollte. Die Kritiken waren hervorragend. Alles stimmte auf einmal. »Zombie« wurde zu einem Erfolg an der Kinokasse. Der Film bekam sogar eine Goldene Leinwand. Allerdings konnte man damals noch nicht – im Gegensatz zu heute – korrekte Zuschauerzahlen erfassen. Wenn ein Film eine Goldene Leinwand erhalten sollte, also für drei Millionen Zuschauer, war das immer eine ungefähre Schätzung. Wenn man dachte, man hatte ungefähr die drei Millionen erreicht, musste Geschäftsführer Böllinghaus zum Notar gehen und eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass man drei Millionen Zuschauer hatte. »Böllinghaus meinte dann immer: ›So, jetzt geh’ ich zum Notar und schwöre einen Meineid!‹«, erinnert sich Herman Weigel lachend. Dies änderte sich erst mit »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo«, als man begann, die Zuschauerzahlen in einer offiziellen Statistik zu erfassen.
    Zumindest vorübergehend stopfte der »Zombie«-Erfolg das Leck im sinkenden Constantin-Schiff. Aber ein Hit allein reichte nicht. Das Problem im Verleih besteht darin, dass der Verleih von jeder Mark, die an der Kinokasse verdient wird, mindestens die Hälfte abgeben muss. Doch jede Mark, die man durch einen Flop verliert, verliert man zu hundert Prozent. Ein teuflisches Geschäft. Und die vielen Flops, die Bernd und Herman mit der Staffel ihrer Vorgänger im ersten Jahr erlebten, demoralisierte sie enorm.
    Mittlerweile war auch klar geworden, dass eine Reduzierung der Belegschaft unumgänglich war. Die Neue Constantin Film hatte immer noch wie in den Boom-Jahren Filialen in ganz Deutschland. Diese mussten geschlossen werden. Das Unternehmen war ein hungriger Riese, der zwar viel verschlang, aber nichts einspielte. Noch dazu handelte es sich um eine Belegschaft, die es sich in der Harmonie des Misserfolgs gemütlich

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