BE (German Edition)
gemacht hatte und nicht bereit für Bernds neuen Kurs war. Trotzdem. Bernd tat sich schwer mit der Entscheidung, Leute zu entlassen. Viele davon waren über fünfzig und würden auf der Straße landen. Der Gedanke, dass er dafür verantwortlich sein sollte, bereitete ihm großes Kopfzerbrechen und schlafl ose Nächte. Aber schließlich musste er sich sagen, dass er angetreten war, um die Neue Constantin Film auf Vordermann zu bringen. Seine eigene Existenz stand mit dem Kredit über 1,5 Millionen Mark auch auf dem Spiel. Also musste er die Konsequenzen ziehen. Eckes hatte 1978 Geld in die Firma gesteckt, und durch Bernds Eintritt war noch einmal Liquidität dazugekommen. Bernd benutzte das Geld, um den Entlassenen Abfindungen und Sozialpläne zu zahlen. Die Belegschaft der Neuen Constantin Film wurde auf insgesamt 47 Mitarbeiter reduziert. Von da an waren die Büros der Neuen Constantin Film in der Roßhaupterstraße weitgehend leer gefegt. Wenn Bernd die Albert-Roßhaupter-Straße beschrieb, erzählte er von öden langen Gängen. Es war unheimlich. Dies änderte sich erst Anfang der achtziger Jahre, als die Constantin Film nach Schwabing in die Kaiserstraße umzog.
Neben dem Anfangsstress des ersten Jahres bei der Constantin wurde Bernd noch von seinem Freund, dem Regisseur Helmut Dietl, terrorisiert. Dieser hatte sich mit Bernds Sekretärin Marianne nach Los Angeles abgesetzt. Dabei hatte er eine Fernsehserie zurückgelassen, von der er meinte, dass man daraus einen Kinofilm schneiden solle. Und wer sollte aus der Fernsehserie einen Film machen? Bernd natürlich! Das sei Bernds Pflicht als Freund! Die Serie hieß »Der ganz normale Wahnsinn«, und der Titel war Programm. Nicht so sehr, was die Serie selbst anging, die war gar nicht so wahnsinnig. Jedoch die Auseinandersetzung zwischen Bernd und Helmut Dietl entbehrte nicht eines gewissen Irrsinns. Man muss dazu sagen, dass Bernd und Helmut Dietl damals sehr gut befreundet waren. Helmut Dietl war nach seiner Fernsehserie »Münchner Geschichten« ein Star. Er war gebildet, mit Wortwitz, intelligent, charmant … Dietl war ein Mann von Welt, ein Großbürger mit einem unnachahmlichen Blick für das absurde Theater der (Petit-)Bourgeoisie. Bernd bewunderte Dietl, benutzte laut Uli Edel sogar eine Zeit lang ähnliche Ausdrücke, kleidete sich ähnlich. Natürlich wollte er unbedingt mit ihm zusammenarbeiten. Dietl war genau die Art von Regisseur, die das deutsche Kino nach Bernds Meinung brauchte.
Das Problem war nur, dass Bernd nicht der Ansicht war, dass sich »Der ganz normale Wahnsinn« zu einem Kinofilm umschneiden ließ. Er war nicht einmal der Ansicht, dass das Material für eine gute TV-Serie reichte. Aber wie sollte er Dietl das sagen? Nicht nur war Bernd in der emotionalen Daumenschraube des Freundschaftsdienstes gefangen, er wollte mit diesem Regisseur auch in Zukunft zusammenarbeiten! Bernd kam aus dieser Sache nicht heraus. Ihm blieb nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel von Dietls »Wahnsinn« zu beißen. Tagsüber leitete er also die Constantin und nachts saß er im Schneideraum. Der Film kam dann unter dem Titel »Der Durchdreher« 1979 in die Kinos. Er hätte auch »Der Egomane« heißen können, denn Helmut Dietl hatte seinen Hauptdarsteller so zurechtmachen lassen, dass er genauso aussah wie er selbst: weißer Leinenanzug, Bart, weißer Schal … es war, als würde man Helmut Dietl beim Durchdrehen zuschauen. Aber damit ist Dietl ja in guter Gesellschaft. Viele Regisseure richten ihre Hauptdarsteller so her, dass sie sich selbst ähnlich sehen. Detlef in »Christiane F.« schaut aus wie der junge Uli Edel, und Grenouille in »Das Parfum« ist ein Ebenbild von Tom Tykwer, um jetzt nur ein paar Beispiele mit einem Bernd-Bezug zu nennen.
»Der ganz normale Wahnsinn« beziehunsgweise »Der Durchdreher« war ein Flop. Es ist auch kein guter Film. Bernd und ich schauten ihn uns gemeinsam an, schafften es aber nicht bis zum Ende. Nicht nur dass der Film ein Flop war – problematisch war bei der ganzen Angelegenheit auch, dass dies der erste Film war, den Bernd als neuer Co-Geschäftsführer der Constantin Film in den Verleih brachte. Dazu kam noch, dass Helmut Dietl die Schuld am Misserfolg des Films Bernd in die Schuhe schob, obwohl dieser ihn gewarnt hatte und von Anfang an dagegen gewesen war.
Hier Herman Weigels Erinnerung an die Konsequenzen, die »Der ganz normale Wahnsinns« nach sich zog:
Es war meine erste Begegnung mit Helmut
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