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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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über die Rolle von Variety sprachen, meinem ehemaligen Arbeitgeber. Herman schlug Bernd vier oder fünf Filme vor, von denen er dachte, dass die Constantin Film sie einkaufen sollte, und Bernd fand seine Wahl einleuchtend. Nun galt es, diese Wahl den anderen Geschäftsführern zu verkaufen, die auf der Terrasse des Carlton Hotels saßen, Alkoholika zu sich nahmen und sich die Sonne auf den Pelz scheinen ließen. Dass Bernd und Herman sich einen Kopf wegen des Filmeinkaufs machten und dass das Filmfestival in Cannes spielentscheidend für die Zukunft der Constantin Film sein könnte, schien ihnen nicht wirklich einzuleuchten. Warum auch? Sylvio Tabet, der Schwiegersohn des Besitzers, hatte sich schon entschlossen, welche Filme man einkaufen sollte! Tabets Auswahl stimmte nur leider nicht mit dem überein, was Bernd und Herman sich ausgesucht hatten. Aber Tabets Wahl stand fest. Bernd war sauer. Herman, immer der Direkte, schaute sich Tabets Auswahl an, zeigte auf einen der Filme, dessen Rechte auch noch ausgesprochen teuer gewesen wären, und meinte: »Der Film geht nie im Leben!« Darauf Tabet: »Woher wollen Sie denn das wissen?« Herman: »Ich habe keine Ahnung, aber nicht mal ich will mir den angucken und ich gucke mir wirklich alles an – warum soll sich den sonst irgendjemand ansehen?!«
    Man saß also zu dritt in der Lobby des Carlton Hotels und die Stimmung war miserabel. »Wir brauchen gescheite Filme!«, regte sich Bernd auf. »Wir brauchen ein Programm!« Tabet, ganz der lässige Libanese, spielte mit seiner Tasbih, seiner Gebetskette, die er wie immer in der Hand trug, und entgegnete Bernd: »Ja, welchen Film willst du denn haben?« Bernd schaute sich um und sah ein Plakat für einen Politthriller namens »I wie Ikarus« von Henri Verneuil, ein damals angesehener französischer Regisseur der alten Schule. Er zeigte nur auf den Film, weil das Plakat neben ihm hing. »I wie Ikarus« war als Beispiel gemeint, aber Tabet nahm ihn beim Wort. »Den willst du haben? Gut, du kriegst ihn!« Bernd hatte sich ins Bockshorn jagen lassen. Ein Rückzug war nun unmöglich. Also wurde der Film für – zum Glück – relativ wenig Geld eingekauft. Aus »I wie Ikarus« wurde leider »F wie Flop«. Aber als »I wie Ikarus« in die Kinos kam, hatten Bernd und Herman ihren Punkt schon gemacht: Alle Filme, die Herman mit Bernd ausgesucht hatte, waren an der Kinokasse erfolgreich. Tabets Auswahl dagegen – darunter auch »Winter Kills« – entpuppte sich als großer Fehlgriff. Bernd war beeindruckt von Herman. Er wusste nun, er hatte die richtige Allianz geschlossen. Herman sollte denn auch jahrzehntelang den Einkauf der Constantin Film leiten.
     
    Herman, was sind deine Kriterien beim Filmeinkauf? Wonach suchst du?
HW: Danach, was ich selber gerne sehen würde. Was mich interessiert. Also, ich bin mir bewusst, dass es auch Filme gibt, die ich mir anschauen möchte, die außer mir kaum einer anguckt. Das weiß ich dann aber auch. Im Prinzip will ich von einem Film eine starke emotionale Erfahrung – es ist ganz egal, ob es sich um einen Actionfilm, eine Liebesgeschichte oder einen Horrorfilm handelt. Ich suche nach Filmen, die eine starke unmittelbare Wirkung haben.
War das bei Bernd ähnlich?
HW: Genauso. Wir haben uns irre gut ergänzt, denn Bernd ging immer auf die großen, sichtbaren Filme. Der Bernd ist der Erste, von dem ich überhaupt das Wort »Event« im Zusammenhang mit Film gehört habe. »Filme müssen ein Event sein«, meinte er. Das hatte ich vorher noch von keinem Menschen gehört, und ich war ja nun schon einige Zeit unterwegs und kannte mich aus. Er hat schon damals das englische Wort »event« benutzt. Das war damals buchstäblich unerhört. Mich hat das Ereignishafte eines Films wenig interessiert. Mir war wichtig, dass wir klasse Filme haben und die Leute da reinrennen. Damals hatte man ja auch noch weniger Konkurrenz, denn es gab noch kein Video, und Fernsehen war langweilig. Der Eventcharakter eines Films wurde dann immer wichtiger, als sich die Konkurrenz durch die anderen Medien erhöhte.
Welche Rolle spielen Stars?
HW: Wir sind damals relativ rasch dahintergekommen, dass es nicht reicht, einen Jean-Paul Belmondo oder einen Louis de Funès – damals die Topstars - im Film zu haben. Damit man Filme gut vermarkten kann, muss sich die Idee eines Films relativ einfach auf den Punkt bringen lassen. Man muss die Idee eines Films eigentlich in drei Sätzen erzählen können. Wenn das nicht möglich

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