BE (German Edition)
allgemeinen Situation in Deutschland weitgehend unabhängig zu machen und ein eigenes autarkes, in sich geschlossenes Industriesystem zu bilden.
Prinzipiell ist die Constantin als deutscher Großverleih die einzige Institution, mit der man eine solche Konzeption verwirklichen kann. Gleichzeitig liegt m. E. die einzige Überlebenschance der Constantin als Großverleih in dieser Konzeption begründet.
Bernds Konzept für den Neuaufbau der Constantin Film ist insgesamt 26 Seiten lang. Neben der Situationsanalyse entwirft er darin einen Plan, wie so ein »autarkes Industriesystem« aussehen könnte. Entscheidend sei dabei, dass die Constantin Film ihre eigenen Filme produzierte, Deutsche Produktionen (im Sinne von in Deutschland initiiert, konzipiert und realisiert), so Bernd, seien für den Erfolg eines Großverleihs wie der Constantin Film unbedingt nötig. Sein Ziel sah er darin, im Jahr etwa fünf bis zehn Filme selbst zu produzieren, um ein funktionierendes Industriemodell zu schaff en. Dieses System müsse unbedingt eine Kontinuität entwickeln, damit auch junge Talente eingebunden und deren kreatives Potenzial freigesetzt werden könnte. Anstatt junge Regisseure als »introvertierte Spinner« abzutun, sah Bernd seine Aufgabe darin, sie in einer großen Umarmungsstrategie in das neue System einzubinden. Bernd zählt amerikanische Regisseure wie Steven Spielberg, Francis Ford Coppola, William Friedkin und George Lucas als Beispiele auf, um zu beweisen, dass 25- bis 35-Jährige sowohl qualitativ als auch kommerziell herausragende Filme hervorbringen können. In Deutschland dagegen würden die Regisseure »wie in keinem anderen Land der Welt« isoliert vor sich hin arbeiten – ihre Einzelerfolge würden dabei weder von ihnen selbst noch vom Publikum in eine kontinuierliche Reihe eingegliedert, sondern als genialische Einzelakte hochstilisiert. Wieder klingt in diesen Sätzen Bernds Idee von der Deutschen Filmakademie durch, die ja eben diese künstlerische Isolation der deutschen Filmemacher beenden sollte.
Bernd bezeichnete die Constantin Film, die damals etwa siebzig Mitarbeiter beschäftigte und in ganz Deutschland Filialen unterhielt, als einen »uninspirierten, an einstmals erfolgreichen Maximen hartnäckig festhaltenden grauen Verwaltungskoloss«. Von den »lapidaren und auf die niedrigsten Instinkte des Publikums abgestimmten minderwertigen Projekten«, die die Constantin derzeit verleihe, sei unbedingt Abstand zu nehmen. Es müsse eine Auszeichnung darstellen, keine Abwertung, für die Constantin tätig zu sein. Gerade diese Maxime blieb Bernd all die Jahre sehr wichtig. Und noch eine sehr zentrale Aussage enthält Bernds Konzept von 1978, das bis heute das Geschäftsmodell der Constantin Film bestimmt:
Der leistungsstarke Produktionsapparat, den Bernd aufbauen und an den Verleih angliedern wollte, musste dem Prinzip folgen, dass Deutschland die Basis, der internationale Markt das Aktionsfeld darstellt.
Ludwig Eckes erhielt Bernds Konzept und lud ihn zu sich nach Nieder-Olm in der rheinlandpfälzischen Provinz ein, wo sich damals schon die Zentrale seines Getränkekonzerns befand. Wenn Bernd so genau wisse, wie die Constantin wiederaufzubauen sei, dann solle er das doch am besten auch tun! Bernds Antwort: Bernd würde dies nur tun, wenn Eckes ihm einen Anteil an der Firma geben würde. Denn Bernd wusste genau: Was er mit der Constantin vorhatte, würde auf extremen Widerstand stoßen. Schließlich plante er nichts Geringeres als eine Revolution. Die alte Garde, die darunter zu leiden haben würde, würde Bernd als Spinner bezeichnen und meutern. Und er wusste, Eckes würde sich das eine Weile lang aus der niederolmer Ferne mit ansehen, aber irgendwann würde er Bernd feuern.
Eckes schlug ein. Für anderthalb Millionen Mark, die Bernd sich von seiner Bank lieh, verkaufte Eckes ihm 25 Prozent der Neuen Constantin und machte ihn zu einem von vier Geschäftsführern. Das Quartett bestand neben Bernd aus dem filmisch ambitionierten Schwiegersohn Tabet sowie Dr. Karl Heinz Böllinghaus, der für den Vertrieb zuständig war, und einem gewissen Dr. Berger, dem Administrationschef.
Schon eine Woche nach Vertragsabschluss zwischen Bernd und Ludwig Eckes, bekam Letzterer kalte Füße. Am 4. Dezember 1978 schrieb Eckes aufgebracht an Bernd, er habe von einem Gespräch erfahren, in dem Bernd unter anderen den Namen Rainer Werner Fassbinder positiv erwähnt habe. Fassbinder gehöre nach Ansicht Eckes zu einer
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