BE (German Edition)
Abteilungen und vor allem bei seinen Co-Geschäftsführern traf Bernds Plan, sich auf ein paar wenige Filme im Jahr mit vielen Kopien für den Verleih und aufwendiger, außergewöhnlicher Vermarktung zu konzentrieren, auf völliges Unverständnis. Wollte dieser nicht mal dreißigjährige Großkotz ihnen etwa erzählen, wie das Verleihgeschäft funktionierte? Der hatte doch noch nie im Leben einen Film herausgebracht! Bernd sah sich mit seinen Ideen allein auf weiter Flur. Das war ein eingerosteter Verein, der nicht bereit war, neue Wege zu gehen. Eine schier ausweglose Situation. Aber Bernd hatte schon damals genügend Bücher über Napoleon gelesen, um zu wissen, was der Krieger tun muss, wenn ein Sieg unmöglich erscheint: Er sucht sich Alliierte! Bernd brauchte einen Mitstreiter, mit dem er sich austauschen konnte und der verstand, wie er dachte und wo er hinwollte. Herman Weigel, Bernds Kommilitone von der Filmhochschule, wurde zu diesem Verbündeten. Herman arbeitete mittlerweile als Dramaturg bei der Bavaria Film und hatte dort schon den ersten Fernsehfilm »Der harte Handel« von Uli Edel, einem weiteren HFF-Kommilitonen, co-produziert.
»Der Herman, der hat Geschmack«, sagte Bernd oft, wenn er gefragt wurde, was er an Herman Weigel schätze, obwohl dieser ja nun ein fast schon kauziger Mensch sei, mit sehr dezidierten Meinungen und einem filmgeschichtlichen Wissen, das Widerspruch zwecklos machte. Dieser Sohn eines Herrenschneiders, der Bernds Wahnsinn nicht nur verstand, sondern auch noch mitmachte, sollte Bernd also helfen, die Constantin neu aufzubauen. Das Problem war aber, dass Bernd die Zustimmung der anderen Geschäftsführer brauchte, wenn er jemanden einstellen wollte, dessen Gehalt 5000 Mark überschritt. Also einigte er sich kurzerhand mit Herman, dass sein Einstiegsgehalt 4999,90 Mark betragen würde. Wenn er mehr bräuchte, würde Bernd das anderweitig organisieren. So trat Herman Weigel am 1. Mai seinen Posten als graue Eminenz bei der Constantin Film an – pünktlich zum Filmfestival in Cannes.
Zuvor musste Bernd aber am 11. April 1979 seinen gefürchteten 30. Geburtstag feiern. Dreißig Jahre! Damit war die Jugend vorbei. Und der sichere Tod – Bernd war bis zu seinem 40. Geburtstag überzeugt, dass er diesen nicht überleben, sondern als junges Genie sterben würde – rückte näher. Trotzdem sollte groß gefeiert werden: am 10. April im »Alten Simpl« in Schwabing. Wie immer wollte Bernd in seinen Geburtstag hineinfeiern. Auf der langen Gästeliste, die Bernd bis zu seinem Tod in seinem Constantin-Büro aufbewahrte, stehen mit Unterschrift unter anderen Uli Edel (der auch am 11. April Geburtstag hat), Wolfgang Petersen, Helmut Fischer, Peter Schamoni und Maximilian Schell. Hinter den Namen Hannelore Elsners hat ganz offensichtlich Bernd »Wo?« geschrieben und hinter dem Namen Helmut Dietls steht in einer anderen Handschrift »zur Zeit bei Oscar-Verleihung«. Auch einige der Glückwunschtelegramme, die Bernd erhielt, haben überlebt. Da wird ihm »eine gelungene Überblendung und gut Licht und Ton im Dritten Akt für eine glückliche und erfolgreiche Zukunft« gewünscht. Das ist natürlich sehr lieb gemeint, aber mit dreißig soll schon der dritte Akt beginnen? Auch Bernd wusste, dass der dritte normalerweise der kürzeste Akt ist. Und nach dem dritten Akt kommt bekanntlich das Ende … Kein gutes Omen für einen so abergläubischen Menschen wie Bernd! Es kam denn auch, wie es kommen musste: Bernd fuhr mit dem Taxi zum »Alten Simpl«, und als er aus dem Wagen stieg und die vielen Gäste sah, die dort auf ihn warteten, um seinen baldigen Tod zu feiern, fiel er in Ohnmacht. Er sank einfach zu Boden. Als er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, musste er erst einmal zurück nach Hause fahren und sich von dem Schock erholen. An dieser Geburtstagsfeier nahm Bernd daher erst mit großer Verspätung teil.
Vom Schock erholt ging es ein paar Wochen später nach Cannes zum Filmfestival mit Herman Weigel. Das Filmfestival von Cannes besteht nur zur Hälfte aus der kulturellen Veranstaltung, bei der Filme vorgeführt und von Kritikern beziehungsweise der Jury des Filmfestivals bewertet werden. Hinter der Glamour-Fassade aus roten Teppichen, glitzernden Abendroben und lächelnden Filmstars befindet sich das knallharte und nicht selten halbseidene Geschäft der Filmmärkte. An den Messeständen der internationalen Filmvertriebe wird rege mit Filmrechten gehandelt wie mit gackernden Hühnern auf
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