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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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Dietl. Den Namen kannte ich natürlich, denn er war ein Star. Aber ich hatte ihn nie kennengelernt. Eines Abends, es war während meiner Anfangszeit bei der Constantin Film, saß ich mit Bernd an seinem Tisch im Romagna Antica. »Der ganz normale Wahnsinn« war schon in den Kinos gelaufen und schrecklich gefloppt. Wir saßen also im Restaurant, und da kam so ein hypernervöser, von Kopf bis Fuß in weiß gekleideter, hochneurotischer Typ an – also mein erster Eindruck war: schwer verkokst. Aber damals war ja jeder verkokst. Und dieser Typ kam also zu uns an den Tisch und fing an, den Bernd zu beschimpfen. Zeigte andauernd mit dem Zeigefinger auf Bernd und wiederholte immer wieder: »Du wirst schon merken, wer deine wirklichen Freunde sind! Du hörst auf diese Leute da … (damit meinte er die von der Constantin), aber du wirst schon merken, was die mit dir machen!« Das war Helmut Dietl. Der war nämlich der Ansicht, die Constantin hätte seinen Film absichtlich versenkt, ohne dass Bernd es gemerkt hätte. Bernd blieb einfach ganz stoisch am Tisch sitzen und ließ das, wie später in anderen Situationen auch, über sich ergehen. Nach dem Motto »Wenn man nichts machen kann, dann macht man halt nichts.«
     
    Aus dieser Zeit muss auch ein Gedicht stammen, das Helmut Dietl für Bernd schrieb. Bernd hat es aufgehoben in einem Stapel von Liebesbriefen von ehemaligen Geliebten. Es hat den Titel »Ein längeres Gedicht an einen kürzeren Freund«. Ein Abschiedsgedicht. Auf drei Seiten mit Schreibmaschine getippt. Darin wiederholt Dietl seine Cassandra-Parolen: Er habe Bernd oft genug gewarnt, nicht das Spiel der anderen zu spielen und dass Bernd auf dem besten Weg sei, sich nur noch mit Haien und Schweinen zu umgeben. Niemand werde um Bernd weinen, sondern sie würden ihn zur Sau machen, und er würde am Ende in seiner eigenen Scheiße sitzen. Später vertrugen sich Dietl und Bernd wieder. Keine Frage, Helmut Dietl war ein wichtiger Mensch für Bernd. Jemand, dem Bernd sich lange Zeit wirklich nahe fühlte. Jemand, dessen Intelligenz und Witz er sehr bewunderte.
     
    Während Bernd sich bemühte, den Verleih in die Gänge zu kriegen, wollte er gleichzeitig auch die Produktionsschiene zum Laufen bringen. Endlich wollte er Filme produzieren, die er auf der Leinwand sehen wollte – Filme nach seinem Geschmack. Filme, die etwas Provozierendes hatten und die das Lebensgefühl des jungen Publikums widerspiegeln. Bernd wollte Kino machen – nicht als Kino verpackte Fernsehfilme wie während seiner Zeit bei der Solaris!
    Bernd hat »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« immer als den ersten Film bezeichnet, den er produziert hat. Alles, was er bei der Solaris geleistet hatte, war für ihn nicht produzieren, sondern »eine Produktion durchziehen«, das heißt die Herstellungsleitung übernehmen. Produzieren, das hieß für ihn, einen Film von der Idee bis zur Vermarktung zu formen, zu prägen und dafür nicht nur die finanzielle, sondern auch die kreative Verantwortung zu tragen. Einen Film zu produzieren, das hieß für ihn, mit seinem Namen dafür einzustehen. Genau das wollte er mit »Christiane F.« tun. Jetzt war er dran.
    Als Bernd auf den Stoff von »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« aufmerksam wurde, war das Buch noch nicht erschienen. Vielmehr handelte es sich um eine Fortsetzungsreportage der Journalisten Kai Hermann und Horst Rieck im Stern . Schon als die erste Reportage erschien, waren die Leute elektrisiert. Hier wurde eine Seite der deutschen Gesellschaft beschrieben, von der man nicht geglaubt hatte, dass sie existierte: Christiane Felscherinow erzählte den Journalisten Hermann und Rieck von ihrer Kindheit in der Berliner Siedlung Gropius Stadt und wie sie mit vierzehn Jahren heroinabhängig wurde und ihre Sucht auf dem Kinderstrich an der Kurfürstenstraße und am Bahnhof Zoo finanzierte. Der Teufelskreis aus Heroinsucht, emotionaler Verwahrlosung, Depression und sexueller Ausbeutung wurde aufgezeigt und der breiten Öffentlichkeit zum ersten Mal die Realität der Drogenszene bewusst gemacht. Der Regisseur Roland Klick kam zu Bernd und sagte, dass er die wahre Geschichte der heroinsüchtigen Prostituierten vom Bahnhof Zoo verfilmen wollte. Roland Klick, muss man dazu wissen, hatte 1974 einen Film mit dem Titel »Supermarkt« gemacht, den Bernd, Herman Weigel und Uli Edel sehr bewunderten. »Supermarkt« war für Bernd und seine HFF-Freunde eine Offenbarung. Sowohl von der Machart als auch vom Inhalt her.

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