BE (German Edition)
haben über sein Album geredet, ›Scary Monsters‹. Das war gerade herausgekommen, und ›Ashes To Ashes‹ war ausgekoppelt worden. Darüber haben wir geredet, und er hat sich gefreut, dass sich das Album gut verkauft. Sein vorheriges Album war ja nicht so gut gelaufen«, so Weigel. Im »Sounds« angekommen, erlebte Weigel dann den spektakulärsten Auftritt seines Lebens. Neben den Darstellern und Komparsen waren an diesem Tag auch zufällig die echte Stella und andere reale Personen aus der Geschichte anwesend. »Wir tauchen da auf – Herman Weigel und David Bowie! Und du merkst, wie auf einmal alle um dich herum weiche Knie haben«, so Weigel. Uli Edel bekam von Bowies Ankunft erst einmal gar nichts mit. Er war wie immer im Tunnel und bemerkte nur, dass die Konzentration am Set plötzlich frappant abgenommen hatte. »Plötzlich tippt mich da jemand auf die Schulter. Ich drehe mich um, und da steht da auf einmal David Bowie vor mir. Erst hab ich ausgerufen ›David!‹, und dann war ich so perplex, ich wusste nicht, was ich sagen sollte!«, erinnert sich Uli Edel an seine erste Begegnung mit David Bowie. Bowie musste nicht weiter überzeugt werden. »The good news is, we’re gonna do it. The bad news is, you have to come to New York«, war Bowies Ansage. Bowie spielte jede Nacht in New York »The Elephant Man« in einer Broadway-Inszenierung am Beacon Theatre. Man würde also vor der allabendlichen Vorstellung am Beacon Theatre drehen müssen.
Die Verabredung mit Bowie stand also. Der restliche Film war schon lange abgedreht, als Bernd, Uli, Herman und ein kleines Produktionsteam nach New York flogen, um Bowies Auftritt zu drehen. Für viel Geld wurde eine amerikanische Crew angemietet und die Bühne eingerichtet. Am 9. Dezember sollte gedreht werden. Alles war geregelt. Die Ampel stand auf grün.
Dann wurde wenige Straßen weiter John Lennon vor dem Dakota Building erschossen.
Nicht nur dass Bernd, genau wie der Rest der Welt, extrem betroffen und traurig vom Tod seines großen Idols war – dem Mann, der mit seiner Musik sein Leben verändert hatte. Nein, David Bowie weigerte sich, vor die Kamera zu treten. Er hatte Angst, dass Lennons Ermordung Nachahmer finden könnte und dass möglicherweise er als Nächster auf der Abschussliste eines Psychopathen stünde. Bernd sah seinen Film schon vor seinen Augen in sich zusammenfallen. Mittlerweile war die gesamte Handlung auf Bowies Auftritt zugeschnitten. Ohne die Szene mit Bowie hatte Bernd keinen Film! Verschieben ging nicht, denn er hatte das letzte bisschen Geld, was er noch übrig hatte, für die amerikanische Crew ausgegeben, die auch nicht mit sich reden ließ. Bernd redete auf Bowie ein, verdeutlichte ihm die Situation. Es gab keine andere Lösung: Bowie musste auftreten. Bernd engagierte eine Truppe von Bodyguards, die das Set absicherten. Bowie ging auf die Bühne und sang.
Und noch etwas begann mit der Produktion von »Christiane F.«: Bernds schlechtes Verhältnis zum deutschen Feuilleton beziehungsweise zur deutschen Filmkritik. Der Film wurde von der deutschen Presse verrissen. Zwar machte »Der Spiegel« den Film zu einer Titelgeschichte mit einem Foto von Natja Brunckhorst als Christiane und der Schlagzeile »Mythos Christiane F.«, doch das schien den Rest des Feuilletons nur noch mehr gegen den Film aufzubringen. Es war als hätten sie Bernds Ziel, Filme nicht für die Kritiker, sondern für das Kinopublikum zu machen, als Kriegserklärung verstanden. Ein Film, der nur von einer Handvoll Kritiker gesehen wird und ansonsten weitgehend unter Ausschluss der Öff entlichkeit stattfindet, war für Bernd kein Film, sondern ein privates Vergnügen. »Christiane F.« sollte ein Film werden, der das deutsche Kinopublikum wieder für deutsche Filme öffnete und eine in den fünfzehn Jahren zuvor abgebrochene Verbindung wieder herstellte. Dass ihm die deutsche Filmkritik seine Einstellung so übelnahmen, dass sie bis zu seinem Tod ihren Zorn auf Bernd niederprasseln lassen würden, damit hatte er nicht gerechnet. Nach Bernds Tod wendete sich das Blatt. Auch von seinen schärfsten Kritikern gab es wunderschöne Nachrufe auf ihn, die Bernd sicher sehr gerührt hätten. Es war ein paar Wochen vor Bernds Tod. Wir befanden uns in unserem Schlafzimmer in Los Angeles. Bernd hatte gerade einen Artikel in einer großen deutschen Zeitung gelesen, in dem seine Person beiläufig erwähnt und ihm in einem Nebensatz jegliche künstlerische Integrität abgesprochen
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