BE (German Edition)
wurde. Und ich sehe ihn noch vor mir, wie er in seinem blauen Jeanshemd mit dem Rücken zu mir vor unserem Bett steht und ganz gelassen meinte: »Wenn ich mal tot bin, dann werden sie mich mit Lob überschütten … Du wirst sehen, was da losbrechen wird! Alle, die jetzt auf mich schimpfen, werden dann genau das Gegenteil sagen … « Von Bitterkeit war da keine Spur. Er hat verstanden, dass es nicht anders ging. Ein wenig traurig war er vielleicht.
Die Kinozahlen von »Christiane F.« sprechen jedenfalls für sich. Trotz der schlechten deutschen Kritiken schlug der Film ein wie eine Bombe. In Deutschland allein sahen ihn fast fünf Millionen Zuschauer. Für einen deutschen Film war das unerhört. Das letzte Mal, dass ein deutscher Film die vier Millionen Marke überschritten hatte, war 1970 mit dem Softporno »Schulmädchenreport – Was Eltern nicht für möglich halten« gewesen. Bernd hat »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« immer als den Beginn seiner Produzentenkarriere gesehen. »Christiane F.« war in seinen Augen der erste Film, den er tatsächlich produziert hatte, so wie er die Tätigkeit eines Produzenten verstand: Der Inhalt des Films, der Look, die Besetzung – das hatte alles etwas mit ihm zu tun. Das trug nicht nur die Handschrift des Regisseurs, sondern auch die seine. Das hört sich zunächst einmal wie ein Widerspruch an, ist es aber nicht. Im Gegensatz zu Roland Klick wollten Bernd und Uli denselben Film machen. Darauf hatten sie sich schon im Vorfeld geeinigt. Das war und blieb, was Bernd unter Produzieren verstand: wenn Regie und Produktion am selben Strang ziehen. Dieses Konzept hatte sich nun erstmals als erfolgreich erwiesen. »Christiane F.« war ein fulminanter Startschuss – und nicht nur das. Mit »Christiane F.« hatte Bernd seine eigene Karriere gerettet und auch die Neue Constantin Film vor dem sicheren Untergang bewahrt.
Nicht nur für Bernd und die Constantin Film, sondern auch für den deutschen Film im Allgemeinen bedeutete »Christiane F.« einen Durchbruch. Das Branchenblatt Variety schrieb, dass angesichts der Kinozahlen das »F.« im Titel ganz offensichtlich für »fabulous« stehen müsse. Der Film sei, so steht in der Variety vom 11. Februar 1982 zu lesen, im Ausland der erfolgreichste deutsche Film des letzten Jahrzehnts. In Paris habe mit »Christiane F.« zum ersten Mal seit zehn Jahren ein deutschsprachiger Film die Top-10 der Charts erobert. Die sechs Millionen Dollar, die »Christiane F.« in Frankreich eingespielt habe, seien ein »großer Durchbruch« für das deutsche Kino im Ausland. Ebenso die Kinozahlen in Holland, Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Spanien und England – der Film habe neue Zeichen für das Exportpotenzial des deutschen Kinofilms gesetzt. Die Tatsache, dass sich »Christiane F.« in den USA mit Roger Cormans New-World einen Filmverleih sichern konnte, wird als Krönung dieses internationalen Erfolgs beschrieben. Und all das obwohl, so Variety vom 2. Oktober 1982, ›Christiane F.‹ nicht die üblichen Kennzeichen von deutschen Filmen vorweisen kann, die außerhalb von Deutschland erfolgreich sind.« Keiner der üblichen Stars würde mitspielen und anstatt Geschichtsaufarbeitung des Dritten Reiches, für die der deutsche Film im Ausland bekannt sei, würde sich »Christiane F.« mit einem Gegenwartsthema beschäftigen. »Insbesondere die Tatsache fällt auf, dass der Film nicht die Handschrift eines der großen deutschen Autorenfilmer trägt, also Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Werner Herzog oder Volker Schlöndorff. (…) Was jetzt wirklich neu ist, ist die Tatsache, dass das deutsche Kino auch ohne die Namen dieser Autorenfilmer im Ausland erfolgreich sein kann«, so Variety weiter.
Der Test der Zeit gibt dem Geschmack des Kinopublikums recht. »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« gilt mittlerweile als Klassiker. Die Ästhetik des Films lässt sich in den Fotos von Corinne Day und deren Portraits der jungen Kate Moss wiederfinden. In der Tat scheint es ein direktes Verhältnis zwischen der Grunge-Optik der neunziger Jahre und den Bildern von »Christiane F.« zu geben. Was die Ausbeutung der Heroinsüchtigen anbelangt, so wird »Christiane F.« schon seit Jahrzehnten nicht nur an deutschen, sondern auch an Schulen in anderen europäischen Ländern gezeigt, um Kinder über Heroin aufzuklären.
Für die echte Christiane F. bedeutete der Erfolg des Films eine Weiterführung des Rauschs der
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