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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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gemacht. Uli Edel stand gerade in der Toilette auf einer Leiter und überlegte, wo er die Kamera aufstellen und wie er die Szene aufl ösen sollte, als er oben auf einem Mauerabsatz ein mit Klebeband abgepacktes Päckchen erblickte. In dem Moment, als er das Päckchen geöff net hatte und sah, dass es sich um Heroin handelte, stand plötzlich ein am ganzen Körper bebender Junkie mit blutunterlaufenen, weit aufgerissenen Augen vor ihm. Er hatte sich irgendwie durch die Sicherheitsabsperrung gedrängt, ohne dass ihn jemand aufgehalten oder Alarm geschlagen hatte. In der Hand hielt er ein Taschenmesser. »Das ist meins!«, bellte er, riss Uli das Päckchen aus der Hand und ward nie mehr gesehen. Als Natja Brunckhorst und die anderen jungen Darsteller am Set erschienen, wurden weder der Tote noch der furchterregende Besucher erwähnt. Ich hatte angenommen, dass Natja Brunckhorst die Geschichte mittlerweile kannte und von der Drogenleiche am Set wusste, aber als ich sie danach fragte, war sie schockiert. All die Jahre hatte niemand ihr davon erzählt.
    Die Dreharbeiten zu »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« zogen sich endlos in die Länge. Weit über achtzig Drehtage. Das Problem war laut Bernd vor allem der Kameramann, der zwar wunderschöne Bilder fabrizieren konnte, damit aber den Betrieb komplett lahmlegte. Uli schwebte Bertolucci vor, was man an der Anfangsszene auch sieht: Die Szene, in der Christiane den anderen Jugendlichen in Gropius Stadt zuschaut, ist ein Zitat aus Bertoluccis »La Luna«. Der Kameramann gab Uli Bertolucci, nur fielen sie dabei jeden Tag weiter im Drehplan zurück. Nachdem schon eine kleine Ewigkeit gedreht worden war, es Herbst wurde, man jeden Tag weniger Tageslicht hatte und die jungen Darsteller wieder in die Schule gehen mussten, hatte man immer noch nicht genügend Material, um daraus einen Film zu schneiden. Bernd, der das gesamte Team bis dahin an der langen Leine gelassen und sich kaum eingemischt hatte, sprach ein Machtwort: Der Kameramann musste gehen. Stattdessen holte Bernd einen Kameramann dazu, der vom Fernsehen kam und hauptsächlich journalistisch gearbeitet hatte. Dieser schoss aus der Hüfte und drehte, was das Zeug hielt.
     
    Uli Edel erzählte mir Folgendes:
     
    UE: Dadurch, dass wir nicht fertig wurden, mussten alle unsere Kinder wieder jeden Morgen in die Schule. Jeden Nachmittag haben wir mit einem Bus vor der Schule gestanden und haben sie zum Drehort gebracht. Drei Stunden später war’s dunkel, und die Eltern riefen schon an, wo denn ihre Kinder bleiben. So haben wir gedreht. Langsam wurde auch unser Team immer kleiner, weil das Geld ausging und die Leute schon bei anderen Jobs zugesagt hatten. Ich hab mir dann eine Handlampe mit einer irrsinnig schweren Batterie umgehängt, und mit dieser immer schwächer werdenden Lampe sind wir dann noch durch Berlin gebrettert und haben gefilmt.
Für die Szenen im Bahnhof Zoo hattet ihr gar keine Drehgenehmigung.
UE: Wir durften draußen drehen, aber nicht drinnen. Also hat sich der Kameramann Justus Pankau in einen Rollstuhl gesetzt und hat einen Karton über seine Kamera gestülpt. Wir haben ihn dann geschoben, und so hat er gedreht. Natja ist durch die Bahnhofshalle gelaufen und wusste ja nie, wo die Kamera ist.
Unten auf dem Bahnsteig, sind das Junkies oder geschminkte Statisten?
UE: Beides. Ich wusste zum Schluss auch nicht mehr, wer nun Statist und wer echter Junkie war. Es kamen ja auch ununterbrochen Züge reingefahren, Leute sind ein- und ausgestiegen. Wir hatten überhaupt keine Übersicht mehr. An Anschlüsse gar nicht zu denken. Ich hab einfach zum Pankau gesagt: Komm dreh, sonst werden wir alle wahnsinnig!
     
    Das Resultat ist eben diese besondere Mischung: wunderschöne, lyrische Bilder und gleichzeitig Aufnahmen mit einer sehr dokumentarischen, authentischen Kraft.
    Ein weiteres Problem mit dem Drehbuch bestand darin, dass Herman Weigel einen Live-Auftritt von David Bowie hineingeschrieben hatte. Das Konzert eines anderen Musikers zu filmen, war laut Herman absolut ausgeschlossen. Man musste David Bowie eben irgendwie für den Film gewinnen! Das musste klappen, es führte kein Weg daran vorbei. Die ganze Szene um die echte Christiane F. hatte auf David Bowie gestanden. Auch im Buch »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« war David Bowie ein integraler Bestandteil der Geschichte gewesen. Schließlich hatte Christiane F. nach einem Bowie-Konzert zum ersten Mal Heroin genommen. Es führte kein Weg daran

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