BE (German Edition)
von wo er eingeflogen werden musste, der Beste sollte es sein. Die Lösung des Problems war viel näher als erwartet. Da München in den Achtzigern nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit als Metropole für Mode und Popkultur galt, wurde Kirsten Hager tatsächlich in München fündig: Der Münchner Visagist Horst Kirchberger schaffte es schließlich, Tami in die Kindliche Kaiserin zu verwandeln. Bernd, der Hair & Make-up-Fanatiker, konnte aufatmen.
Die Dreharbeiten waren im Gange. Fünf bis sechs Kamerateams drehten gleichzeitig. Und Bernd hatte immer noch keinen US-Deal. Bald würde ihm das Geld ausgehen. Also ließ er sich von Jane Seitz, mit der er zu diesem Zeitpunkt wieder zusammen war, einen zehnminütigen Trailer zusammenschneiden. Damit und mit Anna Gross fuhr er nach Amerika. Wenn auch auf den Trailer hin kein US-Verleih anbiss, war alles verloren.
Seit seiner Zeit als Praktikant in der Bavaria hatte es sich Bernd zum Ziel gesetzt, nie wieder eine Filmrolle tragen zu wollen. Also hatte Anna die Dose mit dem Film in ihrem Handgepäck. Es war ihm egal, dass Anna eine Frau und er ja eigentlich ein Gentleman war. Bernd trug keine Filmrollen mehr. Ebenso ungern trug er irgendetwas anderes, wie z. B. Koffer oder Einkäufe. Damit er das nicht machen musste, bezahlte er andere für diese Tätigkeiten. So viel Geld musste immer übrig sein. Anna trug also die Filmrolle. Der erste Stopp der beiden war New York, und das Erste, was Anna tat, war, sich eine Plastiktüte mit dem Aufdruck »I ♥ New York« zu kaufen, in die sie die Filmrolle steckte. »Es war so heiß, als wir durch Manhattan liefen, ich immer mit dieser schweren Plastiktüte in der Hand, bis wir dann schließlich zu den Büros von HBO kamen. Die Typen von HBO trugen alle Anzüge und sahen aus wie Wall-Street-Banker. Es waren nun mal die achtziger Jahre, und praktisch über Nacht waren alle zu Yuppies geworden. Du konntest keinen vom anderen unterscheiden. Kein Wunder, dass von denen keiner den Film kaufen wollte«, erinnert sich Anna Gross. Kein vielversprechender Anfang. Weiter ging’s nach Los Angeles, wo Bernd – wie immer – in der mittlerweile berüchtigten Suite 64 des Chateau Marmonts wohnte, einem Apartment mit zwei Schlafzimmern und einer riesigen Partyterrasse. In L.A. trafen Bernd und Anna einen Studiochef nach dem anderen. Sie begannen mit Frank Mancuso, der damals Paramount leitete, und arbeiteten sich langsam durch die anderen Studios wie Warner Bros. und Colombia TriStar. Bernd hatte noch nie einen Film an ein amerikanisches Studio verkauft. Was er daher nicht wusste: Das Protokoll in Hollywood besagt, dass wenn man einem Studio einen Trailer oder einen Film vorführt, man die Filmrolle beim Filmvorführer abgibt und selbst nicht am Screening teilnimmt, sondern draußen wartet. Für Bernd war diese Sitte absolut inakzeptabel. Er bestand darauf, bei jedem Screening mit im Vorführraum zu sitzen. So passierte es, dass Bernd bei dem Screening für Mike Medavoy von Orion Pictures mitbekam, wie Medavoy während der Vorführung telefonierte. Im Vorführraum befand sich ein Telefon, in das er hineinbrüllte, weil ein Fotograf ein Portrait von ihm und seiner Frau gemacht hatte und Medavoy mit dem Resultat nicht zufrieden war. Bernd saß ein paar Reihen hinter ihm und war fassungslos. Wie konnte ein Filmemacher das einem anderen Filmemacher antun? Wusste Medavoy nicht, wie viel Herzblut und Lebensenergie in einen Film flossen? Waren ihm seine albernen Familienfotos tatsächlich wichtiger als Bernds Film? Und auch wenn dem so war, hatte Medavoy nicht einmal genügend Respekt, um für zehn Minuten die Klappe zu halten?
Bernd lehnte sich zu Anna Gross und sagte: »Stopp das Screening.« Anna stand auf, ging zum Filmvorführer und forderte, er solle die Vorführung beenden. »Tut mir leid, kann ich nicht. Das ist Mr. Medavoys Vorführung«, entgegnete der Filmvorführer. »Halten Sie einfach an und sagen Sie Mr. Medavoy, dass die Vorführung beendet ist.« Der Film kam zum Stehen, und im Kinosaal gingen die Lichter an. Medavoy telefonierte immer noch. Bernd stand auf, drehte sich zu Medavoy um und sagte: »Ich werde nicht zulassen, dass Sie das meinem Film noch länger antun. Danke für Ihre Zeit. Aber ich will nicht, dass Sie meinen Film verleihen.« Ohne Medavoys Reaktion abzuwarten, verließ Bernd das Kino. Er bebte vor Empörung. Aber Anna Gross strahlte innerlich: »Ich war so stolz auf Bernd. Außer ihm hätte sich das niemand
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