Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
diesen Flieger steigen zu können! Stattdessen versucht sie krampfhaft, Kontakt zu anderen Studentinnen zu bekommen, und schafft es einfach nicht, dass ein Typ sie um ein Date bittet.
Es dauert ewig bis ich drankomme, weil vorne ein großes blondes Mädchen mit dem Personal des Check-In-Schalters diskutiert. Sie lächelt nicht, aber ein kurzer Blick reicht, um festzustellen, dass sie verdammt hübsch ist. Ihre dünnen spitzen Hüftknochen schauen über ihrer schlabbrigen verwaschenen Jeans heraus. Das Mädchen dreht sich um und zieht ein dickes Papierbündel aus einem retrobraunen Backpacker-Rucksack, der so aussieht, als hätte man ihn geradewegs aus einer vergrabenen Zeitkapsel der 70er-Jahre zutage gefördert. Leute gibt's! Sie trägt weder Schmuck noch Makeup. Nur die taillenlange ziemlich zerzauste Haarmähne umrahmt ihre strahlend schönen Gesichtszüge - am faszinierendsten ist ihr breiter erdbeerfarbener Mund mit den vollen Lippen, die aber irgendwie einen sonderbar gequälten Zug haben.
Das Mädchen wedelt jetzt mit einem Bündel Hundert- Dollar-Scheine herum, aber die Mitarbeiterin von French Airways schüttelt nur stirnrunzelnd den Kopf.
Normalerweise starre ich andere Leute ja nicht an, aber ich erkenne das beeindruckende Logo des Lycee de Monceau auf den Papieren, die sie der Mitarbeiterin von French Airways zeigt. Überrascht sehe ich noch mal genauer hin. Kann es sein, dass noch eine Schülerin aus meinem Programm im selben Flieger sitzt wie ich?
Wahnsinn!
Ich juchze kurz, sodass mir der ältere Franzose direkt vor mir in der Schlange einen unfreundlichen Blick zuwirft. Geht also noch jemand aus New York mit mir auf das Lycee? Das »Programme Americaine« im Lycee de Monceau ist eines der angesehensten und exklusivsten High-School-Auslands-Programme der Welt. Schüler aus ganz Amerika melden sich für ein Auslandsjahr - ein ganzes Jahr! - in Paris an und wohnen in Gastfamilien, während sie an einer sehr strengen, renommierten Privatschule Französisch lernen. Selbst ich wäre fast nicht reingekommen, obwohl ich schon französisch spreche, seit ich fast noch ein Baby war! Bei der Bewerbung spielen sämtliche Noten eine Rolle sowie alle Schülervermerke in punkto Betragen und Disziplin. In meinem Fall hatte ich, um's mal so auszudrücken, Glück, dass meine Mom Reporterin bei der Luxe ist und ich dadurch der Schülerschaft dieses Jahr einen gewissen Glamourfaktor bringe.
Ich kann einfach nicht anders - ich drängle mich an dem alten Typen vorbei und sause nach vorne zum Schalter. »Excusez-moi!«, protestiert der Franzose, aber ich lächle nur vage in seine Richtung.
»Ich bin Alex!« Ich lege meine Hand auf den knochigen Arm des Mädchens. Durch die Haut schimmern die zarten, langen blauen Äderchen hindurch. »Du gehst zusammen mit mir aufs Lycee!«
»Was?« Als sie sich zu mir umdreht, formen ihre vollen Lippen ein überraschtes O. »Wer bist du?«
»Alex Nuygen«, wiederhole ich. »Wir verbringen das Auslandsjahr zusammen! Ich habe von da'hinten in der Schlange deine Zulassungsunterlagen gesehen!«
Verwirrt schaut sie zuerst auf die Papiere in ihrer Hand und dann wieder auf mich. Als ich ihre Reaktion abwarte, fällt mir auf, dass sie dringend einen Abdeckstift bräuchte: Wegen ihrer Tränensäcke sieht sie so aus, als ob sie jede Nacht Aufputschmittel schlucken würde.
Nein, bestimmt nicht! Oder doch? Und ich dachte, ich würde im Lycee de Monceau die Rolle des enfant terrible besetzen!
»Du warst noch nie wirklich von zu Hause weg, oder?«, frage ich sie. Sie hat dieses nervöse, ruckartige Verhalten, wie es typisch ist für Reiseanfänger.
»Nein, war ich noch nicht«, sagt sie. »Aber das ist im Moment gar nicht mein Problem. Das Problem ist, dass ich keine Reservierung habe und French Airways nur noch Tickets in der ersten Klasse hat. Und für die erste Klasse habe ich nicht genug Geld bei mir, nur für Economy.«
»Es gibt noch einen Platz in der ersten Klasse«, erklärt mir die Mitarbeiterin auf Französisch. »Die Economy Class ist schon seit Wochen ausgebucht.«
»Du hast dir vorher kein Flugticket nach Paris organisiert?«, frage ich total entgeistert. Die Assistentin meiner Mutter bei der Luxe hat meine Reise schon im letzten Juni gebucht!
»Können Sie morgen fliegen?«, bietet die Mitarbeiterin an. »Es ist noch ein Mittelplatz frei, wenn Sie den Sechs-Uhr-Flie- ger morgen Abend nehmen können.«
»Nein, nein, nein«, entgegnet das Mädchen und verpasst ihrem Rucksack
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