Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
Pariser Zentrum mit den vielen gewundenen Sträßchen und Gässchen vorbeikamen, besteht das Lycee aus jahrhundertealtem ausgewaschenem, hellbraunem Sandstein. Jedes Mal, wenn ich in den letzten Monaten nicht schlafen konnte, bin ich aufgestanden, habe Licht gemacht und mir das Infomaterial vom Lycee angesehen. Und doch ist das Lycee in echt noch viel majestätischer, als ich es mir je ausgemalt hätte.
»Hier trefft ihr eure Gastfamilien und fahrt dann mit ihnen zu euren jeweiligen Unterkünften, um auszupacken«, erklärt Mme. Cuchon, während sie mit aller Kraft die Handbremse zieht. »Und morgen früh treffen wir uns dann hier zur Einführung und eurem ersten Schultag.« Mit einem zitternden Ruckein erstirbt der Motor. Wir strömen in die schwüle Hitze der Straße hinaus und schleppen unsere Koffer und Rucksäcke durch die massiven Eisentore des Lycees.
Im großen Foyer stellen wir unser Gepäck ordentlich ab und begrüßen die Gruppe Franzosen, unsere neuen »Eltern« und »Geschwister«, die auf uns warten und uns zögerlich an- lächeln, als wir reinkommen. Mme. Cuchon führt mich zu meiner Gastmutter, einer Frau mittleren Alters, mit einem grauen dichten Pagenschnitt und einem lachsfarbenen Seidenanzug. Sie küsst mich höflich auf jede Wange und ich lache verlegen. Ich wusste ja nicht, dass sie das wirklich so machen! Ob ich wohl in einem Jahr auch jeden, den ich treffe, auf die Wange küssen werde?
»Das ist Mme. Rouille«, sagt Mme. Cuchon. » C'est Olivia«, stellt sie mich Mme. Rouille vor.
»Bonjour, Olivia«, sagt Mme. Rouille mit einem knappen, förmlichen Lächeln. Aus ihrem Mund klingt mein Name wunderschön und exotisch: Oh-LIIV-ii-AH. Ohne es zu wollen, muss ich kichern.
Ich habe keine Ahnung, ob ich meine Gastmutter immer als Madame ansprechen muss, was mir sehr förmlich erscheint, wenn man bedenkt, dass sie quasi meine Mutter ersetzen soll, aber im Moment bietet sie mir keine andere Anrede an.
»Du wirst in einem Apartment unweit von Mademoiselle Penelope im 17. Arrondissement wohnen«, verkündet Mme. Cuchon. »Auch wenn ich ihre Gastmutter noch nicht sehe. C'est bizarre, riest-ce pas ? .« Sie blickt sich unter den Schülern um, die sich schnell in alle Winde verstreuen. »Das ist wirklich merkwürdig - na ja, wie dem auch sei, ihr zwei könnt dieses Jahr morgens immer zusammen zur Schule laufen.«
Penelope muss PJ sein, denke ich und beobachte das große abseits stehende Mädchen, das auf den Eingangsstufen wartet und sich eine lange blonde Haarsträhne um den Finger wickelt. Bis jetzt hat noch keine Familie sie mitgenommen.
» Alors, Olivia, du musst los.« Mme. Cuchon schiebt mich sanft in die Richtung von Mme. Rouilles wartendem cremefarbenem Mercedes. »Du wirst um ein Uhr in der Oper zur Einstufung erwartet.«
»Gleich heute?«, frage ich und versuche, mein Entsetzen zu verbergen. Ist sie denn vollkommen verrückt?
Ich habe kaum ein Auge zugetan - vor Müdigkeit ist mir fast schwindelig. Den gesamten Sommer lang habe ich mich auf dieses Vörtanzen vorbereitet - für die fortgeschrittene Klasse in der Opera National Paris, überall auf der Welt nur kurz »die Opera« genannt. Dort werde ich das nötige Training und die Qualifikation für das Stipendium bekommen, die ich fiir's nächste Jahr möchte - nein, brauche. Aber ich dachte, ich könnte vorher wenigstens noch eine Nacht schlafen!
»Oui, cherie«, bestätigt Mme. Cuchon. »Deine Mutter will, dass du sofort, ohne Verzögerung, in der fortgeschrittenen Klasse starten kannst. Viel Glück heute Nachmittag! Bonne chance!«
Ah, meine Mutter. Na klar. Was das UCLA-Stipendium angeht, hat meine Mutter recht: Es gilt, keine Zeit zu verschwenden. Sie muss Mme. Cuchon darauf eingeschworen haben, das Vortanzen sofort anzusetzen, wenn ich aus dem Flieger steige - ohne sich klarzumachen, dass ich vielleicht jemanden treffen oder Schlaf nachholen muss.
Mme. Rouille und ich machen auf der Fahrt kurz in ihrem Apartment halt, sodass ich in mein Trikot und in die Strumpfhose schlüpfen und meine Spitzenschuhe in meine Tanztasche werfen kann. Das Apartment befindet sich in einem großen prachtvollen Kalksteingebäude mit einer Treppe, die sich von Stockwerk zu Stockwerk windet, auf dem jeweils ein Apartment liegt. Eine ältere Concierge, mit einer kleinen Bommelmütze, begrüßt uns, nimmt mir meine Taschen ab und verschwindet mit ihnen in einem dunklen Gang.
Da Mme. Rouille im dritten Stock wohnt, fahren wir mit dem kleinen
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