Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
Gitterfahrstuhl hinauf. Oben stehen die Taschen wundersamerweise schon vor der Wohnungstür, aber die Concierge ist bereits wieder verschwunden.
Eine Hausangestellte, ebenfalls in Uniform, öffnet uns die Tür und huscht mit den Taschen hinein, während Mme. Rouille mich schnell in meinem neuen Zuhause herumführt. Wir werden auch von drei zauberhaften Zwergpudeln begrüßt, die zu unseren Füßen bellen.
Wie süß! Ich bin total hin und weg, was ich auch laut äußere. Einen Hund habe ich mir schon immer gewünscht! Als mir einer der Pudel auf den Fuß pinkelt, macht mir das überhaupt nichts aus. Diese Hunde sind einfach die niedlichsten kleinen Welpen auf der ganzen Welt!
»Elise!«, ruft Mme. Rouille laut, als sie die kleine Pfütze und die Tropfen auf meinem Flip-Flop sieht. Das Dienstmädchen taucht wieder auf und wischt meinen Fuß und den Boden grob mit einem heißen seifigen Handtuch ab. Lachend blicke ich zu Mme. Rouille hoch. Sie zuckt mit den Schultern. Hoffentlich weiß sie, dass es mir nichts ausmacht. Was ist schon ein bisschen Hundepipi unter neuen Freunden?
»Echt«, erkläre ich ihr. »Ich liiiiiiiiiiebe Hunde. Aber meine Mutter hat mir leider nie erlaubt, einen zu haben. Ich gehe mit ihnen Gassi, wann immer Sie wollen. Jeden Morgen!«
»D'accord«, stimmt Mme. Rouille zu, aber vielleicht mehr, damit ich mit dem Thema aufhöre, als aus irgendeinem anderen Grund. Die Hunde bellen zustimmend und so ist es beschlossene Sache.
Mme. Rouilles Apartment ist nicht groß, aber sehr stilvoll eingerichtet, mit vielen Möbeln, und schon fast barockartig mit den vielen Schnörkeln und Verzierungen. Nirgends ist auch nur ein Stäubchen zu sehen. Das polierte Parkett glänzt, als wäre es noch nass vom Schrubben. In dem riesigen Kronleuchter im Wohnzimmer spiegelt sich in jedem einzelnen Kristallstückchen schimmernd das Licht, das durch die geöffneten Fenster fällt.
Mme. Rouille erklärt mir mit knappen Worten, dass das Apartment eben erst neu gestrichen wurde. Deshalb seien auch die hellgrünen Wände im Zimmer ihres Sohnes - das ist das Zimmer, in dem ich wohnen werde - noch kahl. Sie habe seine Plakate nicht wieder aufgehängt.
»Thomas wohnt jetzt in le dortoir«, sagt Mme. Rouille ein wenig traurig. »Er muss zu viel fürs Studium lernen, um später mal docteur zu werden, als dass er seine maman besuchen kann. Er ist hochintelligent, mein Sohn.« Bei dem französischen Wort für Arzt hellt sich ihre Stimme ein bisschen auf und Stolz schwingt mit. »Du kannst dir das Zimmer gern ein bisschen gemütlicher machen, wenn du magst.« Dann saust sie hinaus. Sie verliert eindeutig nicht gern viele Worte und ist wohl keine Freundin langer Gespräche.
Am liebsten würde ich mich jetzt aufs breite Bett fallen lassen und mindestens für die nächsten zwölf Stunden die Augen zumachen, aber das Vörtanzen wartet ja. Mit wachsender Aufregung wähle ich für den großen Augenblick mein Lieblingstrikot, ein neues schwarzes mit Nackenträgern und einem herzförmigen Ausschnitt.
Wir steigen wieder in den Mercedes und fahren zur Ballettschule. Dabei mustere ich unauffällig meine Gastmutter.
Madame Rouille ist wie aus dem Ei gepellt und formvollendet, ganz anders als die Mütter, die ich aus Südkalifornien kenne, die in Schlaghosen und ärmellosen Tops herumlaufen. Sie muss ziemlich viel Geld haben, wenn man an ihr vornehmes Apartment und ihr Dienstmädchen denkt. Als ich sie so ansehe und mir dabei insgeheim wünsche, dass sie mich mag, beschließe ich, so schnell wie möglich meine ganzen absurden amerikanischen Gewohnheiten abzulegen. Meine Füße zum Beispiel. Aus meinen Flip-Flops schauen trockene, schwielige Zehen raus, die mit fleckigem, abgeplatztem knallpinkem Nagellack lackiert sind. Bestimmt trägt kein Pariser Flip-Flops. Durch das Tanzen sind meine Füße natürlich ziemlich in Mitleidenschaft gezogen, aber ich hätte vor meiner Abreise wenigstens eine Pediküre machen können.
Na ja, ich glaube, ich war wohl zu sehr mit dem Abschied von Vince beschäftigt. Da blieb nicht viel Zeit, um mich so richtig auf meinen eleganten neuen Lebensstil vorzubereiten.
»Dieses Viertel heißt Temes«, bemerkt Mme. Rouille mit einer leicht nasalen, arroganten Stimme, als wir eine breite Straße entlangfahren, die Boulevard de Courcelles heißt. »Das ist eine sehr elitäre Gegend von Paris. Hier leben viele gut situierte Familien.« Mme. Cuchon hat uns gesagt, dass unsere Gastfamilien französisch mit uns reden
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