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Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Titel: Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
Autoren: Lucy Silag
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würden, aber Mme. Rouille spricht mich nur auf Englisch an. Sie scheint mir sowieso nicht viel zu sagen zu haben, egal in welcher Sprache. In diesem Moment bin ich aber so erschöpft und überwältigt, dass mir das nicht viel ausmacht.
    Die Ballettschule der Pariser Oper liegt am Stadtrand und nimmt ausschließlich die besten jungen Tänzer aus aller Welt auf, die nur fürs Ballett leben und bereit sind, alles für den Tanz zu geben.
    Heute bewerbe ich mich bei der Ballettschule der Oper für das Programm, bei dem man nicht dort wohnen muss, sondern noch ganz normal zur Schule gehen kann und trotzdem erstklassiges Balletttraining bekommt. Das Beste daran ist, dass der Unterricht in der Opera Garnier stattfindet, direkt im Zentrum von Paris.
    »Pour les danseuses avancees.« Die junge Assistentin führt mich zu einer Gruppe Ballerinas, die sich alle auf der einen Seite des Kellerstudios versammelt haben.
    Eigentlich war ich ziemlich siegessicher, aber wenn ich jetzt die anderen Mädchen so sehe, werde ich doch nervös. Sie sind total klein - wie Zwölfjährige - und jede trägt ein schlichtes langärmeliges Trikot mit rosafarbenen Strumpfhosen und rosa Spitzchenschühchen. Da ich Rosa absolut nicht ausstehen kann (das war schon immer so) und es schrecklich finde, wie helle Farben von der eigentlichen Technik ablenken, die ich beim Trainieren immer weiter verfeinere, komme ich immer ganz in Schwarz zum Ballett. Und weil ich nun mal aus Kalifornien stamme, finde ich lange Ärmel einfach beengend und heiß. Aber es ist unschwer zu erkennen, wie sehr ich in meinem süßen Nackenträger-Trikot, meinen schwarzen Leggings und den schwarzen Spitzenschuhen auffalle, noch bevor ich überhaupt meine Tanzkunst zeigen konnte.
    Ich streiche mir über meinen Dutt und stelle mich auf einen Platz ganz vorne in der Gruppe. Ich entspanne meine Gesichtszüge, sodass ich lächle - nur ganz leicht - und neige meinen Kopf erst nach rechts und dann nach links, damit mein Körper eine gerade Linie im Raum bildet. Ich achte darauf, dass meine Finger schön locker bleiben und sich auf meinem Gesicht nie die Anstrengung abzeichnet, die es mich kostet, meine Körpermitte zu halten.
    Die ältere Ballettmeisterin macht ein ernstes und strenges Gesicht, als sie meinem Tanz zusieht. Aber dann breitet sich schließlich doch ein Strahlen auf ihrem Gesicht aus, als ich zu meinem letzten grand jete ansetze und beim Sprung einen vollen Spagat in der Luft mache, bevor ich sanft wieder auf dem Holzboden des Studios aufkomme, der ganz weiß ist vom Kolophonium.
    Als die Musik verstummt, wische ich mir über die Stirn und warte auf die Entscheidung der Ballettmeisterin. Schon seit Längerem, bei jedem Vörtanzen für alles Mögliche - vom Nussknacker bis hin zu den Avantgarde-Studenten-Produk- tionen der San Diego University School of Theatre (meine Mutter ist immer ziemlich hinterher, dass ich keine Gelegenheit für einen Auftritt verpasse) habe ich gelernt ganz ruhig zu bleiben, während man auf das Ergebnis wartet. Nur die allerkleinste Bewegung, das geringste Gezappel, und die anderen Mädchen wissen sofort, wie unglaublich man es sich wünscht und wie unsicher man ist, ob man wirklich gut genug war. Wenn man die Nerven verliert, dauert es ewig, bis man sich wieder gefangen hat. Also warte ich unbewegt und mit teilnahmslosem Gesicht.
    » Oui !«, ruft sie, zeigt auf mich und lässt ihre Assistentin meinen Namen auf der Liste abhaken. Mme. Rouille, die sich an der Seitenlinie des heißen Studios Luft zufächelt, wirft mir das erste Lächeln zu, das ich bis jetzt bei ihr gesehen habe. Glücklich, dass ich ihr gefallen habe, strahle ich nun auch und lächle zurück. Eine ungeheure Erleichterung und ein tolles Hochgefühl durchströmen mich.
    Ich kann's kaum erwarten, Vince zu erzählen, dass ich es geschafft habe! In zwei Jahren werde ich auch in der UCLA sein, direkt an seiner Seite, so wie wir es immer geplant haben! Jetzt ist es in greifbare Nähe gerückt. Es wird wahr!
    Zurück im Apartment stelle ich als Erstes (aber natürlich erst nachdem ich ein Cooldown gemacht und meine Muskeln gedehnt habe) die Uhrzeit auf meinem Reisewecker ein. Sobald die Ziffern auf 17.00 Uhr nachmittags stehen - 8.00 Uhr morgens in Kalifornien - möchte ich am liebsten gleich rausrennen und Vince aus einer der öffentlichen Telefonzellen auf der Champs-Elysees anrufen. Als wir vorhin auf dem Weg zur Opera den berühmten Boulevard entlanggefahren sind, habe ich direkt
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