Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
wir eigentlich hergefahren? Wie haben wir überhaupt hoffen können, sie hier zu finden, wo es doch so viele verschiedene Orte gibt, an die sie geflohen sein könnte?
»Ich war nicht sehr nett zu dir, oder, Penelope Jane?«, frage ich wehmütig. »Ich hätte dir ein besserer Freund sein können.« Genau wie ich war PJ ein Außenseiter. Warum habe ich in diesem Halbjahr die ganze Zeit nur an Alex und Olivia gehangen? Warum habe ich nie PJ gefragt, ob sie mal was mit mir machen will, nur wir beide?
Im Mondlicht versuche ich mir ihr blasses Gesicht zu vergegenwärtigen, es treibt mit geschlossenen Augen in dunklem Wasser dahin. Ich hole tief Luft. Was, wenn sie irgendwo da draußen tot herumliegt? Und niemand findet sie?
Plötzlich höre ich ein lautes Geräusch, wie von einem umstürzenden Baum oder einem Pistolenschuss. Es kam aus dem Wald direkt unter der Burg. Ich spähe durch den dunklen Torbogen, kann aber nichts erkennen außer Schwärze und Schatten.
»Alex! Jay!«, schreie ich. »Kommt her!«
Doch mir antwortet nur der pfeifende Wind und beschwört wieder PJs Gesicht vor mir herauf: Kalt und aufgeschwemmt zieht es immer wieder und wieder an mir vorbei.
Ich halte es nicht mehr aus. Ich wickle meine Jacke enger um mich und presche den Berg hinab. Auf dem Weg hinunter rutsche ich dauernd aus und breche gewaltsam durch herabhängendes Geäst. Unten angekommen, blicke ich außer Atem zu den Burgruinen hoch.
An diesem Berg ist nichts sicher.
13 • OLIVIA
Jeder hat geheime Träume
Ich schiebe Thomas' Hand weg, als er sie unter dem Frühstückstisch auf mein Knie legt. Auch wenn Mme Rouille heute Morgen irgendein Ausschusstreffen hat, ist die Haushälterin gleich nebenan in der Diele.
»Küss mich«, bettelt er im Flüsterton. »Solange wir die Chance dazu haben!«
Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und drückt seine feuchten vollen Lippen auf meine. So küssen wir uns mehrere Minuten lang, und ich schwöre, als sich unsere Münder voneinander trennen, dass ich in der Zeit, in der wir uns geküsst haben, an einem anderen Ort gewesen bin. Thomas zu küssen, ruft bei mir ganz andere Gefühle hervor als bei Vince. Thomas küsst voller Selbstvertrauen und Leidenschaft und mit so viel Überschwang. Ich habe das Gefühl, als könnte ich ihn für immer und ewig nur küssen.
Zum Glück lösen wir uns noch rechtzeitig voneinander, ehe Elise in die Küche zurückkommt, voll bepackt mit Gemüse, das sie auf dem Batignolles-Bauernmarkt nur ein Stückchen von der Wohnung der Rouilles entfernt erstanden hat. Ihre Netztaschen sind prall gefüllt mit gelben Zwiebeln, einem dicken Kürbis und einem frisch geschlachteten rosafarbenen Hühnchen.
Sofort ist Thomas auf den Beinen und wühlt neugierig in den Lebensmitteln, die Elise auspackt.
»Ah, mes préferées!«, ruft Thomas aus. »Les aubergines!« Aufgeregt hält er zwei große violette Auberginen hoch.
» Dehors!«, schimpft Elise Thomas und scheucht uns aus der Küche. »Lasst mich meine Arbeit machen.«
»Olivia, komm, wir gehen spazieren«, schlägt Thomas vor. »Vielleicht können wir noch zum Markt gehen, bevor er zumacht.«
»Thomas, wir haben doch gerade erst gegessen«, halte ich ihm vor Augen. »Und Elise war eben auf dem Markt.«
»Ich habe noch Hunger trotzdem«, erklärt er mir. »Französische Märkte sind nicht nur schön, wenn man will einkaufen. Und heute, es ist doch tolles Wetter, nein?«
Thomas hat recht. Im Gegensatz zu den letzten Tagen, als dunkler, trüber Nebel über Paris hing, der sich einfach nicht auflösen wollte, ist heute ein strahlend klarer Tag. Der Schnee schmilzt, und als wir rausgehen, muss ich nicht mal meine Jacke bis obenhin zuknöpfen. Ich ziehe aber trotzdem meine gestreiften Fäustlinge und meine Mütze an. Ich weiß, dass ich damit süß aussehe, und die Mütze bedeckt meinen schnell dunkler werdenden Haaransatz. Meine Mom hat es, als sie hier war, nicht geschafft, mich dazu zu bringen, dass ich mir wieder helle Strähnchen machen lasse.
Als wir endlich aus der Wohnung raus sind, können Thomas und ich nicht voneinander lassen. Ich muss ihm einfach durch die lockigen, weichen hellbraunen Haare streichen. Muss seine Nase anstupsen und ihm einen Kuss auf die Nasenspitze geben und dann einen sanften Kuss auf den Mund und gleich danach noch einen. Ich kann nicht anders, als mit der Unterseite seines Ärmels zu spielen und ihn am Handgelenk zu kitzeln.
Thomas' Hand gleitet meine Taille hinunter und unter meine Jacke,
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