Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
Fenstersims, um sich vor dem Regen zu schützen. Sie ist groß und schlank, die blonden Haare sind halb verhüllt und ein blauroter Schal lugt aus ihrer Kapuze heraus.
PJ.
Noch bevor ich irgendetwas sagen kann, hebt sie den Kopf und begegnet meinem Blick. Sie wirkt schüchtern, ein bisschen verängstigt, aber ihre Augen sind freundlich.
»Hey«, begrüßt sie mich.
Obwohl es jetzt in Strömen gießt, starre ich sie nur unverwandt an. Ihre langen blonden Haare werden immer dunkler, je nasser sie werden. Ich wusste, dass es ihr lavendelblauer Schal war, den ich aus dem Zugfenster gesehen habe. Ich wusste es. Für Farben habe ich ein ziemlich gutes Gedächtnis.
»Howdy, Fremde.« Ich versuche, ganz freundlich zu bleiben. Ich will sie auf keinen Fall verscheuchen wie ein kleines Kätzchen.
Davor habe ich echt ein bisschen Angst. An Heiligabend ist sie so schnell abgehauen wie ein Glühwürmchen im Hochsommer beim Anblick eines kleinen Kindes mit einem Glasgefäß. Fast hätte ich meine Hände hochgehalten, um ihr zu zeigen, dass ich kein Glasgefäß dabei habe.
»Willst du mit reinkommen?«
»Sehr gern«, antwortet sie dankbar. Ich schließe die Eingangstür auf und lasse sie herein.
Es ist niemand zu Hause, was mir nur recht ist. Romy und Jacques halten sich nämlich über die Ereignisse im Lycée auf dem Laufenden und wüssten daher sofort, dass es sich um das verschollene Mädchen handelt. Ich kann nicht garantieren, dass sie sich nicht einschalten würden, wenn sie entdeckten, dass PJ gerade in ihrem Wohnzimmer sitzt.
»Kann ich dir irgendetwas bringen?« Bevor PJ antwortet, bin ich schon in der Küche und gieße uns zwei Gläser Mineralwasser ein.
Gierig trinkt PJ ihres in einem Zug aus. »Ich bin ziemlich ausgetrocknet, glaube ich.«
»Du bist schon so eine Nummer. Magst du mir erzählen, was los ist, oder müssen wir das Spiel >Zwanzig Fragen< spielen?«
PJ sieht mich eine Weile an, dann breitet sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus, das sich bestimmt an Millionen Zeitschriften verkaufen ließe, trotz ihrer ungewaschenen Haare.
»Es sind ein paar ziemlich verrückte Sachen passiert. Es tut mir leid, dass ich einfach weggerannt bin.«
»Mädchen, manchmal schlägt einem eben alles über dem Kopf zusammen. Ich kenne das nur allzu gut.«
»Sehe ich so schlimm aus, wie ich mich fühle?«, fragt sie mich.
Ich nicke. »Ich lasse dir ein Bad ein.«
Ich fülle die altmodische Badewanne mit den Krallenfüßen in dem Badezimmer, das ich mir mit Mireille und Paul teile, mit heißem Wasser und gieße dann ungefähr die Hälfte von Mireilles pinkem Kinder-Bubble-Badezusatz hinein. PJ geht ins Badezimmer, und ich höre sie tief aufseufzen, als sie in die Wanne steigt. Nach ein paar Minuten, als ich gerade meine SMS durchsehe, ob irgendetwas von André gekommen ist, höre ich sie nach mir rufen. Ich mache die Tür einen kleinen Spaltbreit auf.
»Ja?«
»Hast du Lust, reinzukommen und dich mit mir zu unterhalten?«, fragt sie. »Schau einfach nicht hinter den Duschvorhang, okay?«
Ich schiebe die Tür ganz auf und trete ins dampfige Badezimmer. »Worüber willst du dich denn unterhalten?«
»Jungs«, antwortet sie. Das ist so ziemlich das Mädchenhafteste, was ich je aus ihrem Mund gehört habe. »Besonders Jay.«
»Oh, was ist denn mit ihm?«, frage ich. Ich bin froh, dass sie mich hinter dem roten Plastik-Duschvorhang nicht sehen kann. Es versetzt mir noch immer einen kleinen Stich, an Jay zu denken beziehungsweise sogar über ihn zu reden, und das auch noch mit seiner bildschönen Supermodel-Freundin.
Aber das, was sie miteinander haben, ist zumindest das reale, echte Ding. »Ich glaube, er liebt mich zu sehr«, verkündet sie.
Ich unterdrücke einen Laut, der halb Lachen, halb Stöhnen ist. Ich ertrage das nicht. Ich bin froh, dass sie nicht sehen kann, wie mir gerade fast die Augen aus den Höhlen treten.
»Zack?«
»Zu sehr, ja?«, sage ich, um sie zum Weiterreden zu ermuntern.
»Ja, ich weiß, das klingt schlimm. Aber ich verdiene niemanden wie ihn. Dafür habe ich zu viele schreckliche Dinge getan. Er liebt mich mehr, als es gut für ihn ist. Es wird ihm nur wehtun ...«
»PJ, hast du etwa vor, noch mal abzuhauen?« Ich starre auf die rote Barriere zwischen mir und ihr. »Sorry, dass ich so direkt frage, aber hey, verdammt.«
»Ich kann nirgends hin«, sagt sie traurig. »Aber das muss alles irgendwann ein Ende haben.«
»Ich werfe deine Kleidung in die Wäsche, ja?«, sage ich. »Und
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