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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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nichts daran, ein Stern zu sein, ich möchte nur vergehen. Erlaube mir, hungrig zu bleiben, bitte, damit ich nicht die Zielscheibe bin, damit ich die Bäume in ihrer jeweiligen Existenz begreifen kann, damit der Wunsch nicht verloren geht, die Namen der Flüsse zu erfahren, die Höhe der Berge, die verschiedenen Schreibweisen von Tekakwitha, Tegahouita, Tegahkouita, Tehgakwita, Tekakouita, oh, ich wünsche mir ja, von den Phänomenen begeistert zu sein. Ich möchte nicht in meinem Inneren leben. Schenk mir neues Leben! Wie kann ich leben, wenn ich der Behälter bin, in dem das Geschlachtete vom Vortag liegt? Werde ich nun vom Fleisch gepeinigt? Gibt es Herden wilder Tiere, die mich verachten? Mord in der Küche! Bauernhöfe von Dachau! Wir ziehen lebendige Wesen auf, um sie zu essen! Liebt Gott diese Welt? Was ist das für ein ungeheuerliches Lebensmittelsystem! Die tierischen Stämme führen ewigen Krieg miteinander. Auch wir, die Menschen, die Nahrungsnazis! Die ganze Ernährungsfrage dreht sich um den Tod! Und wer entschuldigt sich bei den Kühen? Wir sind ja nicht schuld, wir haben dieses System nicht erfunden. Diese Nieren sind Nieren. Dieses Hühnchen ist ein Huhn. Vernichtungslager in den Kellern der Hotels, was für eine Vorstellung, Blut auf den Kissen, eine Zahnbürste als Spieß für irgendwas. Tiere fressen nicht, um Spaß zu haben oder um Gold anzusammeln oder Macht, sondern einfach nur, um zu sein. Zum ewigen Vergnügen von wem? Morgen fange ich an zu fasten. Ich gebe auf. Aber mit vollem Bauch kann ich nicht einmal ans Aufgeben denken. Gefällt es dir, wenn wir fasten? Oder beleidigt es dich? Du könntest es als Stolz oder Schwäche auslegen. Ich kenne mein Badezimmer in- und auswendig. Edith hat immer alles sehr sauber gehalten, ich selbst nehme es nicht so genau. Ist es denn fair, den zum Tode Verurteilten dazu zu verdonnern, seinen elektrischen Stuhl zu schrubben? Ich benutze alte Zeitungen, wenn ich es verdient habe, kaufe ich auch mal Klopapier. Ich habe der Toilette versprochen, dass ich mich um sie kümmere, wenn sie gut zu mir ist. Ich werde auch ihrer Verstopfung beikommen. Doch warum sollte ich mich gerade jetzt demütigen lassen? Putzt man denn die Windschutzscheibe nach einem Autounfall? Wenn mein Körper sich regt, dann nimmt auch alles andere seinen Lauf, das verspreche ich. Hilfe! Hilf mir, das Geheimnis zu entschlüsseln. Fünf Tage lang war ich nicht mehr im Badezimmer, außer in der ersten halben Stunde. Meine Zähne, meine Haare sind schmutzig. Ich kann mich nicht rasieren, ich müsste mich auslachen, wenn ich mich um diese paar Härchen erleichterte. Bei meiner Autopsie würde ich gehörig stinken. Wenigstens kann ich davon ausgehen, dass mich niemand essen wird. Wie sieht es draußen aus? Gibt es das noch – draußen? Ich bin das versiegelte, tote, unergründliche Museum meines Appetits. So ist sie, die brutale Einsamkeit des Verstopften, so kommt uns die Welt abhanden. Ich bin bereit, alles auf einen Fluss zu setzen, auf ein Nacktbad unter den Augen von Catherine Tekakwitha, auch wenn sie nicht in der Lage ist, mir etwas zu versprechen.

14.
    Tauchen wir ein in die Welt der Namen. F. hat einmal gesagt: Unter den Gesetzen, die uns an die Vergangenheit binden, gibt es keine strengeren als jene, die den Dingen ihre Namen geben. Wenn der Sessel, in dem ich sitze, der Sessel meines Großvaters ist, und wenn das Fenster, aus dem ich schaue, das Fenster meines Großvaters ist – dann bin ich fest in dieser Welt verankert. F. hat gesagt: Die Namen erhalten die Würde des Scheins. F. hat gesagt: Wissenschaft beginnt mit groben Bezeichnungen, mit der Bereitschaft, über die besonderen Formen und die einzelnen Schicksale roten Lebens hinwegzusehen, um sie alle als Rosen zu bezeichnen. Alle Blumen sehen gleich aus, wenn das Auge ungeschlacht und unempfindsam ist. Es ist genau wie mit den Schwarzen und Chinesen. F. redete wie ein Wasserfall. Seine Stimme liegt mir im Ohr wie eine gefangene Fliege, die nicht aufhört zu brummen. Sein Stil kolonisiert mich. Sein Testament hat mir sein Zimmer in der Stadt zugesprochen, und die Fabrik, die er gekauft hat, und das Baumhaus, die Seifensammlung, den Nachlass. Es gefällt mir nicht, was mein Pimmel gerade absondert. F., es ist zu viel! Ich muss aufpassen, dass ich nicht durchdrehe. Bald sind meine Ohren durchsichtig, bald ist es so weit. F., warum vermisse ich dich gerade so außerordentlich? Es gibt einige Restaurants, die ich nicht mehr betreten

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