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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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du mir die Hand reichtest, weintest du um einen verlorenen Garten. An jedem Gegenstand entdecktest du die messerscharfe Kante. Ich ertrug den Lärm nicht mehr, den ihr um eure Schmerzen machtet. Ihr wart blutverschmiert, übersät mit Folterschorf. Verbandszeug musste her, es war keine Zeit, es auszukochen. Ich nahm, was ich kriegen konnte. Vorsicht war ein Luxus, den wir uns nicht leisten konnten. Ich hatte auch keine Zeit, mir Gedanken zu machen über meine Motive. Selbstreinigung hätte wohl als Alibi ausgereicht. Es war eine elendige Szene, die ich nutzte, um alles Mögliche auszuprobieren. Dass ich eine Erektion dabei bekommen habe, kann ich nicht erklären. Ich weiß nicht, warum ich so abscheulich ehrgeizig bin. Ich sah eure eitrigen Wunden und fragte mich immer wieder, ob ich auf dem richtigen Weg war, ob ich so die Sterne erreichen würde. Und als ich mich über die Straße nach Hause schleppte, hallte aus jedem Fenster ein Befehl: Wechseln! Reinigen! Ausprobieren! Kauterisieren! Andersherum! Brennen! Erhalten! Lehren! Glaub mir, Edith, ich musste handeln, ich musste schnell handeln. Es lag in meiner Natur. Nenn mich Dr. Frankenstein, Frankenstein unter Zeitdruck. Es war, als wäre ich inmitten einer Massenkarambolage aufgewacht. Arme, Beine lagen überall, körperlose Stimmen schrien um Hilfe, abgetrennte Finger wiesen heimwärts, der ganze Dreck trocknete wie ausgepackter Scheibenkäse – und ich stand da in dieser zerfetzten Welt, und alles, was ich hatte, waren Nadel und Faden, und so kniete ich nieder, zog Körperteile aus dem Schrott und begann, sie zusammenzuflicken. Ich wusste in etwa, wie ein Mann beschaffen war, aber das Bild war nicht beständig. Ich hatte nicht ein ganzes Leben damit verbracht, darüber nachzudenken, wie der ideale Körper aussehen könnte. Ich sah nur Elend und zerrissene Gliedmaßen. Meine Nadel flog wie rasend. Manchmal bemerkte ich zu spät, dass ich mir ins eigene Fleisch gestochen, dass ich mich mit meinen grotesken Kreaturen vernäht hatte. Ich riss uns auseinander, ich hörte meine Stimme mit den anderen heulen, ich verstand, dass ich selbst ein Teil der Katastrophe war. Plötzlich merkte ich, dass ich nicht der Einzige war, der auf dem Boden kniete und wie ein Verrückter nähte. Es gab noch einige andere, die den gleichen, monströsen Fehler gemacht hatten wie ich, die sich mit ähnlich unreinem Drang in den zertrümmerten Körpern vernäht hatten und nun unter Schmerzen bemüht waren, sich zu befreien.
    – F., du weinst ja.
    – Tut mir leid.
    – Hör auf, so rumzuheulen. Schau, dein Ständer ist weg.
    – Es fällt alles in sich zusammen. Weißt du, wie viel Selbstbeherrschung nötig war, euch beide auszubilden? Ich bringe sie einfach nicht mehr auf.
    Wir stürzten uns beide im selben Moment auf den Vibrator. Wir warfen uns aufeinander, und ich spürte, wie nass und glitschig sie war. Ihre Stutzen waren steif und duftend, ich wünschte mir eine Sekunde lang, wir würden uns lieben. Ich packte ihre Taille, fasste ihre Hüften, doch eh ich mich’s versah, flitschte ihr Hintern aus meiner kraftvollen Umarmung wie ein Melonenkern, ihre Schenkel flitzten vorüber wie ein verpasster Zug. Ich lag da mit leeren, verschmierten Armen, meine Nase drückte gegen den kostbaren Mahagoniboden.
    Alter Freund, folgst du mir noch? Du darfst jetzt nicht aufgeben. Ich habe dir ja versprochen, dass die Geschichte in Ekstase enden würde. In der Dunkelheit des Zimmers, auf einer Stuhllehne, lag ihr Schlüpfer, ein erschöpfter, riesiger Schmetterling. Ein Hauch von getrocknetem Schweiß hatte ihn formbar gemacht wie eine Skulptur, er träumte von zerrissenen Fingernägeln, und ich dann auch – es waren große, flatternde Träume, in die ich einfiel, sinkflugartige, von oben bis unten zerkratzte Bilder. Für mich war das das Ende, es blieb nichts mehr zu tun. Ich versuchte es noch eine Weile, wusste aber bereits, dass ich euch beide enttäuscht hatte und dass ihr mich umgekehrt ebenfalls enttäuscht hattet. Einen Trick hatte ich noch, doch er war gefährlich, ich hatte ihn noch nie probiert – er sollte letztendlich zu Ediths Selbstmord führen, zu meiner Einweisung, zu deiner verzweifelten Lage im Baumhaus. Es waren, wie ich nachzuweisen hoffe, die Umstände, die mich zwangen, ihn anzuwenden. Wie oft habe ich dich gewarnt, dass es eines Tages die Einsamkeit sein würde, die dich geißelt.
    Da lag ich nun in Argentinien. Der Dänische Vibrator surrte wie eine Fräse und fuhr über die

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