Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
so etwas denken!« Winston legte ihr die Hand unter das Kinn und hob ihren Kopf hoch. »Sieh mich an, Becky! Du bist unsere Tochter und du wirst es immer bleiben! Nichts wird daran etwas ändern«, versicherte er. »Elternliebe ist nicht wie ein Kuchen, der begrenzt ist und wo man immer kleinere Stücke schneiden muss, je mehr Leute davon essen wollen. Liebe ist wie eine unerschöpfliche Quelle. Versprichst du mir, dir das zu Herzen zu nehmen?«
Becky hatte Tränen in den Augen und nickte.
Winston strich ihr liebevoll über die Wange und atmete dann tief durch. »Wenn Emily richtig gerechnet hat, wirst du im April ein Geschwisterchen bekommen. Und du wirst ihm oder ihr die große Schwester sein. Aber bis dahin steht uns noch über ein halbes Jahr des Bangens bevor. Es werden schwere Monate, und ich bitte dich, mit mir ein scharfes Auge auf Emily zu halten. Manchmal unterschätzt sie ihre körperlichen Grenzen. In der Schwangerschaft kann das gefährlich werden - besonders bei ihrer Veranlagung und Vorgeschichte. Also bitte achte auch du darauf, dass sie sich nicht zu viel zumutet und dass sie vor allem in den letzten drei, vier Monaten nichts Schweres mehr hebt.«
Sie versprach es ihm.
Sein Gesicht wurde sorgenvoll. »Wenn auch dieses Kind zu früh kommt oder ihm bei der Geburt etwas zustößt, weiß ich nicht, ob Emily das ein drittes Mal verkraften würde.« Er ergriff ihre Hände und bat mit beschwörender Eindringlichkeit: »Bete um ein gesundes Kind und eine gute Geburt, Becky. Und hilf mir, Emily vor sich selbst zu schützen!«
Auch das versprach Becky zu tun. Was jedoch leichter gesagt als getan war, zumal als die Erntezeit anbrach und jede Hand gebraucht wurde. Emily wollte nämlich nicht einsehen, dass sie sich schonen musste und nicht wie sonst bis zur Erschöpfung arbeiten konnte.
»In froher Erwartung zu sein ist keine Krankheit, sondern ein natürlicher, gottgewollter Zustand!«, erklärte sie starrköpfig, als Winston sie im Herbst wieder einmal ermahnte, sich und dem Kind in ihrem Leib mehr Ruhe zu gönnen. Und damit gab sie eine Überzeugung wieder, die so gut wie alle Farmer und Siedler vertraten. Manche Frauen brüsteten sich sogar damit, ihre Kinder während der Feldarbeit bekommen und noch am selben Tag die Arbeit wieder aufgenommen zu haben.
Winston verpflichtete Moharala als Erntehelfer und bat auch Harvey, bei ihnen auf der Farm so oft, wie es ihm möglich war, mit Hand anzulegen, worüber sich Becky natürlich ganz besonders freute. In dieser arbeitsreichen Zeit hätten sie sonst kaum Gelegenheit gefunden, sich zu sehen. Dass es sich für Winston nicht rechnete, gleich drei Helfern wochenlang einen guten Lohn zahlen zu müssen, denn Joshua beschäftigte er ja auch noch, kümmerte ihn nicht im Geringsten.
»Wir kommen schon über den Winter und ein paar Ersparnisse haben wir zum Glück ja auch noch«, sagte er und blockte damit jeden Einwand von Emily ab. Ihm kam es allein darauf an, dass sie von den schweren, zermürbenden Arbeiten auf Feld und Acker fern gehalten wurde und sich im Haus und auf dem Hof nicht noch diese oder jene liegen gebliebene Arbeit aufbürdete.
Für Becky waren der September und der Oktober trotz aller Mühsal die beiden schönsten Monate des Jahres, weil sie in dieser Zeit fast täglich mit Harvey zusammen sein konnte. Oft aß er noch mit ihnen zu Abend, und hinterher saßen sie manchmal sogar noch für eine Stunde allein auf der Veranda, bevor er sich auf den Heimweg machte.
Dass Daniel noch immer im fernen Savannah weilte und die Cormicks beschlossen hatten, dort auch den Winter über zu bleiben, stellte die einzige Betrübnis dar. In seinen Briefen, die viel zu sporadisch eintrafen, machte ihr Bruder mittlerweile keinen Hehl daraus, dass er von der Stadt und dem Leben in Pension und Taverne längst genug hatte und es ihn jeden Tag stärker zurück auf das Land zog. William Cormick erging es offenbar nicht anders, und so setzte Daniel seine ganze Hoffnung darauf, dass der Farmer sich bald gegen seine Frau durchsetzte und sie spätestens im Frühling alle wieder nach Pleasantville zurückkehren würden.
Am 6. November gewann Abraham Lincoln die Präsidentschaftswahl. Die Antwort aus dem Süden ließ nicht lange auf sich warten. Schon im Dezember tagte der Kongress von South Carolina in Charleston und beschloss den Austritt aus der Union. Andere Südstaaten kündigten an, sich der Sezession von South Carolina anzuschließen und einen eigenen Staatenbund zu
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