Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
auszuspielen. Und William scheine immer mehr Gefallen daran zu finden, seine Tage und Nächte in der Taverne zu verbringen und dort zum besten Zecher zu werden. Offenbar sei er entschlossen, sich an Bier und Branntwein für das schadlos zu halten, was ihnen Rosalyn und ihr Mann an gerechtem Lohn vorenthielten. Jedenfalls sehe es nicht so aus, als würden sie so schnell ihre Sachen packen und einen Zug nach Indiana besteigen.
Das waren Nachrichten, die Becky traurig stimmten und arge Befürchtungen in ihr weckten. Denn wenn die Cormicks mit Daniel Savannah nicht bald den Rücken kehrten, konnte sie ihren Bruder wohl auch dieses Jahr nicht wiedersehen. Denn die Nachbarn in Pleasantville, die Sullivans, die das Land der Cormicks auf Pacht bestellten, würden kaum die ganze Frühjahrsarbeit des Pflügens, Eggens, Aussäens und Düngens auf sich nehmen, um dann irgendwann im Sommer oder gar im Herbst zur Erntezeit im wahrsten Sinne des Wortes das Feld zu räumen, damit die Cormicks ernten konnten, was sie im Schweiße ihres Angesichts gesät und hochgezogen hatten.
Winston hatte sich wieder in seine Zeitung vertieft, und Becky blickte niedergedrückt hinaus auf den Hof, der von frischem Nachtschnee bedeckt war, als aus der Vorratskammer ein lautes Klirren von Glas kam. Es klang, als hätte Emily den Korb mit den leeren Einmachgläsern abrupt abgestellt - oder sogar fallen lassen.
Sofort ließ Winston die Zeitung sinken und runzelte die Stirn. »Emily?«, rief er besorgt.
Im nächsten Augenblick erschien sie in der Tür, die rechte Hand gegen ihren stark gewölbten Unterleib gepresst. Mit bleichem Gesicht blieb sie gegen den Rahmen gelehnt stehen. »Winston!… Es ist so weit!«
Winston sprang vor Schreck so ungestüm auf, dass der Stuhl nach hinten kippte und zu Boden polterte. Er stürzte zu ihr. »Aber das kann nicht sein, Emily!… Wir haben erst Ende März!… Und du hast doch ausgerechnet, dass das Kind frühestens Mitte April kommt!«
»Entweder habe ich mich verrechnet - oder das Kind kommt um Wochen zu früh... Aber das ist jetzt egal, es kommt, Winston! … Es kommt!«, stieß Emily hervor, und in ihren Augen stand deutlich die Angst geschrieben, auch dieses Kind zu verlieren.
»O mein Gott, Emily!«
Mit einer fahrigen Handbewegung fuhr sich Emily über das Gesicht, dann jedoch straffte sich ihr Körper, als hätte sie sich innerlich zur Ordnung gerufen. »Du musst dich sofort auf den Weg machen, um Kate Crawford zu holen! Ich muss sie unbedingt an meiner Seite haben!«
»Natürlich, Emily!«, stieß Winston aufgeregt hervor. »Aber zuerst bringe ich dich nach oben. Du musst dich hinlegen und jede Anstrengung vermeiden, die die Wehen beschleunigen könnte. Becky wird dir beistehen, bis ich mit Kate zurück bin!«
»Gibt es denn keine andere Frau in der Nachbarschaft, die bei einer Geburt helfen kann?«, fragte Becky.
»Früher gab es mal jemanden, das alte Kräuterweib Agnes O’Brien, die westlich von Winchester gelebt hat«, antwortete Winston. »Aber seit ihrem Tod vor über zehn Jahren holt jeder, der mit einer schweren Geburt rechnet, Kate Crawford. Und es bleibt Zeit genug, sie zu holen, dessen bin ich mir ganz sicher.«
Emily gab einen schweren Stoßseufzer von sich. »Ich fürchte auch. Wenn es so wird wie bei Mary und Anne, liege ich bestimmt noch die ganze Nacht in Wehen, bis es endlich so weit ist.«
Winston führte Emily hinauf ins Schlafzimmer. Indessen stieg Becky in ihre Stiefel, warf sich ihren Wollmantel über, griff zu Hut und Wollschal und lief hinaus in die frostige Kälte, um Sammy aus dem Stall zu holen und ihm das Geschirr umzulegen. Jede Minute war jetzt kostbar. Aber auch wenn Winston sich beeilte, würde er erst weit nach Einbruch der Dunkelheit zurück sein.
Becky hielt kurz in der Arbeit inne, als ihr bewusst wurde, was das bedeutete: Solange Winston weg war, würde sie ganz allein mit Emily im Haus sein - und ihr helfen müssen, was immer in den langen Stunden, die bis zum Eintreffen der Hebamme vergingen, geschehen mochte!
Ihr brach der Schweiß aus, als sie sich vorstellte, was alles passieren konnte. Was war, wenn Emily diesmal nicht viele Stunden lang in den Wehen lag und das Kind schon kam, bevor Winston mit der Hebamme zurück war? Und was war, wenn sich dabei Komplikationen einstellten? Wie sollte sie Emily dann beistehen? Was verstand sie denn von Geburtshilfe? Nicht den Schimmer einer Ahnung hatte sie von derlei Dingen! Und das, wo Emily doch schon einmal ein
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