Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
wo er Zuflucht in einer Taverne fand, die als das Hauptquartier der Anti-Wood-Leute bekannt war - und den Bowery Boys als eine ihrer Stammkneipen diente. Dort verbarrikadierte er sich mithilfe der Zecher, die er dort antraf. Die johlende Menge zertrümmerte die Fenster und bewarf die Männer in der Taverne mit allerlei Geschossen, derer sie auf der Straße habhaft werden konnten. Und die in der Taverne Belagerten antworteten ihrerseits mit einem Hagel aus Flaschen, Gläsern, Steinkrügen und anderen Wurfgeschossen.
Das Gefecht dauerte keine zehn Minuten, als auf der Straße eine große Gruppe von Bowery Boys auftauchte, alarmiert von dem wüsten Geschrei, gut bewaffnet und nur zu bereit, den Angriff auf ihr Territorium zurückzuschlagen und sich mit den Five Pointers eine blutige Schlacht zu liefern. Die ersten Schüsse fielen. Doch noch waren es nur Warnschüsse.
Zufrieden mit ihrem Vorstoß in die Bowery und dem Schaden, den sie angerichtet hatten, überließen die Aufrührer aus Five Points das Feld umgehend den Männern mit den hohen Seidenhüten und schweren Stiefeln und zogen sich in ihr Viertel zurück. Dabei brachten sie Hochrufe auf Fernando Wood aus.
Die Bowery Boys nahmen die Verfolgung nicht auf, sondern blieben in den Grenzen ihres Reviers. Und bis auf einen kleineren Zusammenstoß zwischen Five Pointers, bei denen es sich zum größten Teil um Männer aus der Mulberry Street handelte, und Bowery Boys im Morgengrauen blieb es den ganzen Tag über irritierend ruhig im Viertel.
»Wenn das mal nicht die trügerische Ruhe vor dem Sturm ist«, unkte Coffin, als Becky ihn am frühen Nachmittag auf der Mission Place traf.
Auch Becky beschlich ein ungutes Gefühl, und diese dunkle Vorahnung wuchs, je näher der Abend dieses heißen Sommertages rückte. Die ungeheure, mit Gewaltbereitschaft aufgeladene Spannung, die über dem Viertel lag, schien mit Händen greifbar zu sein. Überall standen die Männer, meist einen Schlagprügel oder eine Axt unter den linken Arm geklemmt und eine Flasche in der rechten Hand, auf den Straßen und Plätzen in dichten Trauben zusammen, redeten hitzig über die Vorkommnisse, versuchten, einander mit Prahlereien zu übertreffen, und stießen wüste Drohungen aus, ohne jedoch zu einem konkreten Entschluss zu kommen, was denn nun zu tun sei. Becky hatte den merkwürdigen Eindruck, als warteten sie unbewusst darauf, dass irgendjemand in die Rolle eines Anführers schlüpfte und das Kommando gab, dieses oder jenes zu tun.
Natürlich gehörte auch ihr Vater zu diesen prügelbewehrten Prahlhälsen. Er war letzte Nacht erst gar nicht zum Schlafen in die Kellerabsteige gekommen und im Laufe des Tages sah sie ihn mehrfach in der Gesellschaft von seinen Saufkumpanen aus den Reihen der Sporting Men von der Mulberry Street.
»Ich gehe zur Mission hinüber«, sagte Daniel. »Mal sehen, was da geredet wird.«
»Kommt überhaupt nicht infrage! Du wirst schön an meiner Seite bleiben, damit ich dich im Auge behalten kann!«, erwiderte Becky. »Wer weiß, was noch alles passiert. Und was soll drüben bei der Mission schon anderes geredet werden als hier oder in irgendeiner anderen Straße von Five Points? Überall herrscht doch dasselbe einfältige, großspurige Gerede vor!«
Daniel verzog mürrisch das Gesicht. »Was soll denn noch groß passieren?«, maulte er nur.
»Vermutlich mehr, als wir uns beide zusammen vorstellen können«, antwortete Becky und hatte plötzlich vor ihrem geistigen Auge das Bild einer langen Zündschnur, die Funken sprühend auf ein Pulverfass zukroch.
Das Pulverfass Five Points explodierte am Nachmittag gegen fünf Uhr, als der Alarmruf »Die Metropolitans von der White Street rücken in voller Stärke aus!… Die verfluchten Metropolitans kommen!« in Windeseile durch das Viertel ging.
Die Polizeitruppe, die für den 6. Bezirk zuständig war und deren Station in der White Street lag, hatte sich den ganzen Tag über in ihrem Gebäude verschanzt, aus Furcht vor weiteren mörderischen Ausschreitungen des Mobs, der das Viertel beherrschte. Nun glaubte man, dass sich die Lage etwas beruhigt hatte und man es wagen konnte, das Revier zu verlassen, um in geschlossener Phalanx erst südlich über die Baxter Street und dann östlich auf der Baynard Street hinüber in die Bowery zu marschieren und sich dort im besser befestigten Polizeirevier des 7. Bezirks in Sicherheit zu bringen. Zusammen mit den dortigen Einheiten wollte man dann die Situation in Five Points unter
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