Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
drei Mal hintereinander nicht zahlen kann, fliegt aus meiner Truppe raus, damit das klar ist! Und glaube ja nicht, mich übers Ohr hauen zu können!«, sagte er warnend. »Ich weiß, was die Plätze einbringen, Daniel Brown! Und ich habe meine Augen überall! Ist das bei dir angekommen?«
Daniel schluckte eingeschüchtert. »Ja, Captain Walsh!«
»Mein Bruder ist ehrlich, dafür bürge ich!«, versicherte Becky.
»Das hoffe ich für euch! Denn wer mich bescheißt, tut besser daran, sich ganz schnell aus dem Staub zu machen und sich nie wieder in Manhattan blicken zu lassen!« Dann holte er aus einem Hinterzimmer der Schenke einen der typischen schwarzen Holzkästen mit aufgeschraubter Schuhstütze und Umhängegurt. Der Kasten enthielt Putzlappen, Bürste sowie drei Blechdosen mit schwarzer, brauner und klarsichtiger Schuhwichse. »Ich nehme an, du weißt, wie man ordentlich Schuhe putzt, einwichst und blank bürstet, ohne Hosenbeine und Schnürsenkel zu versauen, oder?«
Daniel nickte hastig. »Ja, Sir!«
Captain Walsh gab ihm noch einige gute Ratschläge mit auf den Weg, wie er Kunden ansprechen und sich am besten dem Strom der Passanten anpassen sollte, und wies ihm dann sein Revier zu, das westlich vom Washington Square zwischen Christopher und Barrow Street lag.
»Wenn du dich bewährst und als tüchtig erweist, kriegst du eine bessere Gegend. Wer sich ordentlich ins Zeug legt, kann sich bei mir schnell hocharbeiten«, sagte er zum Schluss. »Weil das dein erster Tag ist und du erst so spät am Vormittag anfängst, ist heute Abend ausnahmsweise nur ein Minimum von fünfzehn Cent fällig. So, und jetzt nimm deinen Kasten und an die Arbeit!«
Becky bangte den ganzen Tag, ob sie auch das Richtige getan und ihrem Bruder nicht zu viel zugemutet hatte. Doch als sie sich am Abend wie üblich in der bullig warmen Kellerwirtschaft von Maggie’s Soup Kitchen trafen und er mit seinem schwarzen Schuhputzerkasten über der linken Schulter durch die Tür kam, las sie schon von seinem Gesicht ab, dass sie sich grundlos gesorgt hatte. Er versuchte, seine überschwängliche Freude und seinen Stolz erst gar nicht zu verbergen.
»Seht doch mal, wie aufrecht sich das schmächtige Kerlchen hält!«, sagte Coffin mit gutmütigem Spott. »Als hätte er einen Ladestock verschluckt!«
Und Timothy zwinkerte Becky zu. »Ich glaube, du kannst jetzt tief durchatmen. Dein Bruder scheint bei der richtigen Crew angeheuert zu haben!«
Daniel platzte beinahe vor Stolz, als er zu ihnen an den Tisch trat. »Achtunddreißig Cent habe ich verdient, dreizehn davon für mich!«, verkündete er und legte die Münzen vor sie auf die Platte. »Der Captain war richtig zufrieden mit mir! Ich sage dir, eines Tages bin ich einer von den besten blackboots der Stadt, Becky! Und dann schickt mich Walsh auf die Wall Street, in die Vorhalle vom Rathaus oder gibt mir ein Revier auf dem Broadway beim Opernhaus! Da macht man nämlich das meiste Geld!«
Becky umarmte ihn und freute sich mit ihm, fiel ihr doch ein Stein vom Herzen, weil Daniel wohl endlich eine Arbeit gefunden hatte, die ihm eine gewisse Freude bereitete und sein verkümmertes Selbstbewusstsein stärkte - und die auch etwas einbrachte. Mit dem Winter im Anzug und Schulden in Höhe von fünf Dollar standen ihnen zwar noch einige sehr harte Monate bevor. Aber zum ersten Mal seit dem Tod der Eltern behauptete sich in ihr das Gefühl, mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft schauen zu dürfen.
Und doch erstarb in ihr nicht die Stimme, die sie beharrlich davor warnte, sich allzu sicher zu fühlen und darauf zu vertrauen, dass das Schlimmste hinter ihnen lag. Hatten sich denn nicht in der Vergangenheit ähnliche Gefühle allzu oft als trügerisch erwiesen?
23
A US dem erhofften kometenhaften Aufstieg zum besten bootblack in der Truppe von Captain Walsh wurde zwar nichts, wie die nächsten Wochen zeigten. Aber Daniel schlug sich doch tapfer genug auf den winterlichen Straßen von New York, um allmählich in Reviere vorzurücken, wo sich einem Schuhputzer bessere Verdienstchancen boten als im Viertel westlich vom Washington Square. Gemeinsam vermochten sie wöchentlich auch genug Geld zu sparen, um ihre Schulden bei Timothy und Jeremy Walsh noch vor Weihnachten begleichen zu können. Als der Jahreswechsel kam, erfüllte es sie beide mit großer Genugtuung, dass sie bei niemandem auch nur mit einem Cent in der Kreide standen.
Das einzige Übel, das sie in diesen Wintermonaten mit hinüber ins
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