Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
erschienen.
»Wenn die mal nicht nur billige Arbeitskräfte suchen!«, murmelte ein Junge argwöhnisch hinter Becky, der wie sie zu dem guten Dutzend der älteren Kinder gehörte.
Georgia Cunningham führte sie wie eine Truppe von Schauspielern auf das Podium, wo mehrere Reihen von Stühlen für sie bereitstanden. Da jedoch nicht für alle Sitzplätze vorhanden waren, verteilte sie die kleinen Kinder auf die Stühle und ließ die älteren hinter ihnen in einem Halbkreis Aufstellung nehmen. Anschließend hielt sie eine kurze Rede, in der sie sich und die Arbeit der Children’s Aid Society vorstellte. Sie verwies auch darauf, dass sich alle Kinder vor Antritt der Reise einer ärztlichen Gesundheitsprüfung unterzogen hatten. Und nach einem Appell an die versammelten Männer und Frauen, ein Zeichen christlicher Barmherzigkeit zu setzen und diesen Kindern ein neues Zuhause zu schenken, begann das, was sie als »Präsentation« bezeichnete.
Es hatte jedoch mehr mit kritischer Begutachtung zu tun, als die Farmer und die wenigen Leute in der gepflegten Kleidung von gut situierten Geschäftsleuten nun näher traten und sich unter die teils verstörten, teils erwartungsvollen Kinder mischten.
Einige diskutierten sogar ganz unverhohlen die äußeren Vorund Nachteile der Waisen, als befänden sie sich auf einer Art von Viehmarkt und müssten ihren »Einkauf« gut überdenken.
»Nein, nicht den, der hat Narben!«
»Wie wäre es denn mit dem kleinen Rotschopf?«
»Zu viele Sommersprossen für meinen Geschmack! Und sie weint ja schon, wenn man sie nur ansieht! Was willst du denn mit so einer anfangen? Nein, kommt überhaupt nicht infrage!«
»Aber ich hätte gern ein Mädchen!«
»Hier sind noch genug andere! Also komm schon weiter, Helen!«
»Ich will diesen Burschen dort, Charles!«, sagte eine andere Frau zu ihrem Mann und wies auf einen etwa achtjährigen Jungen. »Der mit dem sauber gezogenen Mittelscheitel! Ich sage dir, der weiß sich zu benehmen!«
»Warum nicht den mit dem schwarzen Lockenhaar da drüben?«, erwiderte ihr Mann, der intensiv nach Kuhstall roch. »Der ist doch viel kräftiger und kann bestimmt gut anpacken!«
Becky fühlte sich ganz klein und gedemütigt und wäre am liebsten davongelaufen. Aber sie blieb an ihrem Platz und wartete, dass jemand auch zu ihnen kam.
Weiter vorn forderte jemand ein Mädchen auf, den Mund aufzumachen und seine Zähne zu zeigen. Und als sie dieser Aufforderung auch nachkam, fasste ihr der Mann in den Mund und befühlte ihre Zähne.
»Gut, die nehme ich!«, erklärte er.
Mehrere Ehepaare waren sofort auf die beiden Zwillinge Dora und Susan zugestürzt, wie Daniel es vorausgesehen hatte, und stritten sich fast darum, wer von ihnen das Kinderpaar mit nach Hause nehmen durfte.
Bei einem anderen Mädchen namens Elizabeth, das erst sechs Jahre alt war und damit zu den jüngsten der Gruppe zählte, stand ein bärtiger Mann mit seiner schmächtigen, blassgesichtigen Frau.
»Werdet ihr meine neuen Eltern sein?«, fragte sie zaghaft und mit großen, bittenden Augen.
»Das kann schon sein, mein Kind«, antwortete der Mann sanft. »Wie heißt du denn?«
»Elizabeth.«
»Aber wenn du mit uns kommst, musst du bereit sein, einen anderen Namen anzunehmen«, teilte der Mann ihr mit. »Wir haben im Winter unser eigenes Kind verloren. Es war gerade drei Jahre alt. Es hat Sarah geheißen. Und meine Frau möchte, dass das Kind, das wir zu uns nehmen, auch wieder auf den Namen Sarah hört.«
Die Frau nickte stumm.
»Ich heiße gern Sarah!«, versicherte die Sechsjährige. »Bin ich dann jetzt euer Kind?«
Der Mann tauschte mit seiner Frau einen Blick, und als diese nickte, legte er Elizabeth, die von nun an nicht länger Elizabeth heißen durfte, seine Hand auf die Schulter und sagte: »Ja, das bist du. Komm, gehen wir. Wir müssen dahinten am Tisch noch ein paar Papiere unterschreiben, damit auch alles seine Richtigkeit hat.«
Aber nicht alle Erwachsenen machten die Runde. Ein Gutteil der Leute, die dem Aufruf der Plakate gefolgt waren und sich in der Kirche eingefunden hatten, waren schlichtweg Schaulustige, die aus reiner Neugier gekommen waren und sich nun damit begnügten, sich das Spektakel wie ein unterhaltsames Bühnenstück anzusehen.
Ein Ehepaar mittleren Alters kam schließlich auch zu Daniel. Sie fragten nach seinem Namen und zeigten Interesse an ihm, doch als er sagte, dass er nicht bereit sei, sich von seiner Schwester zu trennen, da hielt es sie nicht einen
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