Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
ersten Moment der Verblüffung über den raffinierten Kniff, den Georgia Cunningham ihr nahe legte, folgte sofort Bedrückung. »Nur zu gut«, murmelte Becky.
»Tröste ihn damit, dass ihr euch ja nicht für den Rest eures Lebens trennt und aus den Augen verliert«, sagte Georgia Cunningham. »Ihr könnt euch schreiben, und wenn ihr älter seid, wird es bestimmt viele Möglichkeiten geben, dass ihr euch treffen und vielleicht sogar wieder zusammenkommen könnt.«
Eine ganze Weile saßen sie schweigend auf der Bank. Dann griff Georgia Cunningham nach ihrer Hand.
»Wirst du die Kraft haben, das Richtige für deinen Bruder zu tun, Becky?«, fragte sie leise.
»Ja«, antwortete Becky ebenso leise.
»Dein Bruder wird es dir danken, vielleicht nicht heute und auch nicht in den nächsten Wochen und Monaten, aber doch eines Tages«, versicherte Georgia Cunningham. »Und jetzt gehe ich und schicke ihn zu dir. Ich werde dafür sorgen, dass keines von den anderen Kindern hier herauskommt, damit ihr ungestört reden könnt. Und denke daran, was ich dir eben gesagt habe: Tu, was du kannst, damit er den Eindruck gewinnt, dass er dir etwas schenkt - und nicht umgekehrt!«
Sie begab sich ins Hotel und Augenblicke später trat Daniel zu Becky auf die Veranda.
»Missis Cunningham sagt, du willst etwas Wichtiges mit mir besprechen?«, fragte er beklommen und kam nur zögernd näher, als hegte er schon eine Ahnung, worum es sich bei diesem Gespräch handeln könnte.
Becky nickte. »Komm, setz dich zu mir.«
Doch kaum hatte sie angefangen, ihr Dilemma zur Sprache zu bringen, als er ihr auch schon aufgeregt und voller Abwehr ins Wort fiel: »Das kommt überhaupt nicht infrage, Becky! Wir haben ausgemacht, dass wir zusammenbleiben! Ich lasse nicht zu, dass du allein zurückbleibst, nur damit ich...«
»Lass mich ausreden, Daniel!«, sagte sie und zwang sich, einen ungeduldigen, fast harschen Ton anzuschlagen. »Natürlich sind wir in New York davon ausgegangen, dass wir zusammenbleiben können. Und das ist auch heute noch mein Wunsch. Aber die Dinge sind nun mal so, wie sie sind. Und daher wäre es zur Abwechslung ganz hilfreich, wenn du nicht immer nur an dich denken würdest! Es geht auch um mich ! Wir wollen beide eine Familie finden! Du hast bisher schon mehrfach die Chance gehabt, eine Familie zu finden. Dagegen habe ich es um einiges schwerer, dass sich mal jemand für mich interessiert, wie du ja wohl selbst gesehen hast!«
Bestürzung über ihren unerwarteten und heftigen Ausbruch zeigte sich auf seinem Gesicht.
»Nun schau mich nicht so entsetzt an, als hätte ich etwas ganz Schreckliches gesagt«, fuhr Becky mit versöhnlichem, bittendem Tonfall fort. »Muss ich dir denn noch beweisen, wie sehr ich an dir hänge und wie viel du mir bedeutest, Daniel?«
»Nein«, sagte er mit erstickter Stimme.
»Dem Himmel sei Dank, dass wir uns wenigstens darüber nicht zu streiten brauchen! Denn ich würde alles tun, damit du das bekommst, was du dir so sehr wünschst und was du brauchst, um glücklich zu sein! Meinen rechten Arm würde ich dafür geben!«, beteuerte Becky und hatte Mühe, ihrer eigenen inneren Bewegung Herr zu werden. »Aber all das bringt uns keinen Inch weiter, Daniel. Und morgen sind wir schon in Indiana. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Keiner von uns wird eine Familie finden, wenn wir darauf beharren, nicht getrennt zu werden. Du nicht - und ich auch nicht. Willst du also wieder nach New York und auf die Straße zurück?«
Er presste die Lippen zusammen, als könnte er nur so die Tränen zurückhalten, und schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht!«, sagte Becky mit Nachdruck. »Ich will nicht wieder wie die Kellerratten leben - und ich will, dass diese Reise mit ihren grässlichen Präsentationen endlich ein Ende hat und wir zu Leuten kommen, die uns gern haben und wo wir ein richtiges Leben führen, zur Schule gehen und etwas aus uns machen können! Du bist noch jung, Daniel. Aber ich habe nicht mehr viel Zeit, jemanden zu finden, der mich haben will.«
»Ich habe ja nicht gewusst, dass auch du so... so...« Seine Stimme brach ab und Tränen liefen ihm über die Wangen.
»Ach, Bruderherz«, seufzte Becky und zog ihn an sich. »Du bist das Kostbarste, was ich habe. Und es wird mir das Herz brechen, dich nicht an meiner Seite zu haben. Aber wenn uns gelingen soll, wofür wir aufgebrochen sind, dann gibt es nur eine Möglichkeit: Jeder muss für sich eine Familie suchen. Ich weiß, um was für einen großen
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