Bedenke Phlebas
der
Kontakt-Sektion gewesen, die scharfe Klinge der
Einmischungsdiplomatie der Kultur, die Elite der Elite in einer
Gesellschaft, die das Elitedenken verabscheute. Schon vor dem Krieg
war das Ansehen und das Image dieser Sonderabteilung innerhalb der
Kultur zweifelhaft gewesen. Es umgab sie etwas Romantisches, aber
Gefährliches, eine Aura entarteter Sexualität – ein
anderes Wort dafür gab es nicht –, die an Raub,
Verführung, sogar Gewalt denken ließ.
Auch hatte sie eine Atmosphäre von Geheimnistuerei um sich
(und das in einer Gesellschaft, die Offenheit buchstäblich
anbetete), die unerfreuliche, schändliche Taten vermuten
ließ, und von moralischer Relativität (in einer
Gesellschaft, die sich an absolute Begriffe hielt: Leben/gut,
Tod/schlecht; Vergnügen/gut, Schmerz/schlecht). Das wirkte
gleichzeitig anziehend und abstoßend, aber auf jeden Fall
aufregend.
Kein anderer Teil der Kultur repräsentierte besser das, was
die Gesellschaft als Ganzes vertrat, und wandte die
Glaubensgrundsätze der Kultur militanter an. Und doch
verkörperte kein anderer Teil den alltäglichen Charakter
der Kultur schlechter.
Im Krieg war Kontakt das Militär der Kultur und
›Besondere Umstände‹ ihr Nachrichten- und Geheimdienst
geworden (der Euphemismus wurde nur ein bißchen durchsichtiger,
das war alles). Und im Verlauf des Krieges veränderte sich die
Position von BU innerhalb der Kultur zum Schlechteren. Die
Sonderabteilung wurde das Sammelbecken für die
Schuldgefühle, unter denen die Menschen in der Kultur litten,
weil sie sich überhaupt bereit erklärt hatten, in den Krieg
zu ziehen. Verabscheut als ein notwendiges Übel, verunglimpft
als unerfreulicher moralischer Kompromiß, verdrängt als
etwas, an das die Menschen nicht gern dachten.
BU versuchte jedoch tatsächlich, an alles zu denken, und die
BU-Gehirne galten als noch zynischer, amoralischer und hinterlistiger
als jene, aus denen Kontakt bestand; Maschinen ohne Illusionen, die
ihren Stolz darein setzten, das Denkbare bis zum letzten Extrem zu
denken. Deshalb war hoffnungsvoll vorhergesagt worden, es werde genau
das geschehen. Die Sonderabteilung werde ein Paria, ein
Prügelknabe werden und ihr Ruf eine Drüse, die das Gift im
Gewissen der Kultur absorbieren müsse. Aber Horza sagte sich,
das Wissen darum würde jemandem wie Balveda die Sache nicht
leichter machen. Kultur-Leute litten darunter, wenn irgendwer sie
nicht mochte, und noch mehr, wenn es sich dabei um ihre
Mitbürger handelte. Die Aufgabe der Frau war schon schwierig
genug ohne die zusätzliche Bürde des Wissens, daß sie
für die meisten Leute ihrer eigenen Seite ein noch
größerer Greuel war, als es der Feind in ihr sah.
»Wie dem auch sei, Balveda…« Er streckte sich, bog
seine steifen Schultern innerhalb des Anzuges, fuhr sich mit den
Fingern durch sein dünnes, gelbweißes Haar. »Die Zeit
wird es lehren.«
Balveda lachte freudlos. »Nie ist ein wahreres Wort
gesprochen worden.«
»Auf jeden Fall, danke«, sagte er zu ihr.
»Für was?«
»Sie haben soeben meinen Glauben an den Ausgang dieses
Krieges gestärkt.«
»Ach, gehen Sie weg, Horza!« Balveda seufzte und blickte
auf den Fußboden nieder.
Horza hätte sie gern berührt, ihr das kurze schwarze
Haar gezaust oder sie in die blasse Wange gekniffen, aber er
vermutete, daß sie das nur noch mehr aufbringen würde. Er
kannte die Bitterkeit der Niederlage zu gut, als daß er die
Erfahrung für jemanden, der letzten Endes ein fairer und
ehrenwerter Gegner war, noch verschlimmern wollte. Darum ging er zur
Tür, und nach einem Wort mit dem Posten draußen wurde er
hinausgelassen.
»Ah, Bora Horza«, sagte Xoralundra, als der Mensch aus
der Zelle trat. Der Querl stieg den Niedergang herunter. Der Posten
vor der Zelle straffte sich sichtlich und blies imaginären Staub
von seinem Karabiner. »Wie geht es unserem Gast?«
»Sie ist nicht sehr glücklich. Wir tauschten
Rechtfertigungen aus, und ich denke, ich habe nach Punkten
gewonnen.« Horza grinste. Xoralundra blieb bei dem Menschen
stehen und sah auf ihn herab.
»Hmm. Nun, falls Sie es nicht vorziehen, Ihre Siege im Vakuum
zu feiern, schlage ich vor, Sie denken beim nächsten Mal, wenn
Sie meine Kabine verlassen, während wir in Gefechtsbereitschaft
sind, an Ihren…«
Das nächste Wort hörte Horza nicht mehr. Der
Schiffsalarm gellte los.
Das idiranische Alarmsignal, auf einem Kriegsschiff und anderswo,
besteht aus Geräuschen, die sich wie eine Reihe sehr
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