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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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sein,
die hingeschickt wurden. Und jetzt war alles so gekommen, und Fal
erkannte, daß sie in Wirklichkeit nicht ihren Kopf hingehalten
hatte, sondern Balvedas Kopf.
    Aber was hätte man sonst tun können? Der Krieg
beschleunigte sich innerhalb eines ungeheuren Raumvolumens; auf die
wenigen BU-Agenten warteten viele andere dringende Missionen, und so
oder so war Balveda die einzige wirklich gute Agentin in Reichweite
gewesen. Es gab einen jungen Mann, den man mit ihr hingeschickt
hatte, aber er war nur vielversprechend, nicht erfahren. Fal hatte
von Anfang an gewußt, Balveda würde ihr eigenes Leben aufs
Spiel setzen, nicht das des Mannes, wenn eine Infiltration der
Söldner sich als die einzige Chance erwies, an den Wandler und
durch ihn an das Gehirn zu kommen. Es war tapfer, aber, so vermutete
Fal, ein Fehler gewesen. Der Wandler war schon mit Balveda
zusammengetroffen; es war gut möglich, daß er sie
wiedererkannte, ganz gleich, wie sehr sie ihr Erscheinungsbild
modifiziert hatte (und für eine radikale physische
Veränderung war keine Zeit gewesen). Wenn der Wandler merkte,
wer sie war (und Fal vermutete, er hatte es gemerkt), waren die
Chancen für Balveda, ihre Mission zu erfüllen, geringer als
die des grünsten und nervösesten, aber unverdächtigen
Agenten-Rekruten. Verzeih mir, Balveda, dachte Fal. Ich
hätte dir ein besseres Los bereitet, wenn ich gekonnt
hätte…
    Den ganzen Tag hatte sie versucht, den Wandler zu hassen, hatte
versucht, ihn sich vorzustellen und ihn zu hassen, weil er Balveda
wahrscheinlich getötet hatte. Aber abgesehen von der Tatsache,
daß es ihr schwerfiel, sich jemanden vorzustellen, wenn sie
keine Ahnung hatte, wie er aussah (wie Kraiklyn, der Kapitän des
Schiffes?), wollte sich aus irgendeinem Grund der Haß nicht
materialisieren. Der Wandler schien nicht real zu sein.
    Ihr gefiel, was sie über Balveda gehört hatte. Die Frau
war tapfer und verwegen, und Fal hoffte entgegen aller Hoffnung,
daß Balveda am Leben blieb, daß sie alles irgendwie
überstand und daß sie sich eines Tages, vielleicht nach
dem Krieg, kennenlernen würden…
    Aber auch das schien nicht real zu sein.
    Sie konnte nicht daran glauben; sie konnte es sich nicht auf die
Weise vorstellen, wie sie sich zum Beispiel vorgestellt hatte,
daß Balveda den Wandler finden würde. Das hatte sie im
Geist gesehen, und es hatte sich so ereignet… In ihrer Version
hatte natürlich Balveda gesiegt, nicht der Wandler. Aber sie
konnte sich nicht vorstellen, daß sie mit Balveda zusammentraf,
und irgendwie machte ihr das Angst, als habe sie angefangen, an ihr
eigenes Vorherwissen so fest zu glauben, daß die
Unfähigkeit, sich etwas vorzustellen, unweigerlich bedeutete, es
werde niemals geschehen. Deprimierend war es auf jeden Fall.
    Welche Chance hatte die Agentin, den Krieg zu überleben? Im
Augenblick keine besonders große, das war Fal klar, aber selbst
angenommen, Balveda hatte sich dieses Mal retten können, wie
hoch war dann die Wahrscheinlichkeit, daß sie später doch
sterben würde? Je länger der Krieg dauerte, desto
höher wurde sie. Fal glaubte, und die bestinformierten Gehirne
stimmten ihr im allgemeinen darin zu, daß der Krieg eher noch
Jahrzehnte als Jahre dauern würde.
    Plus/minus ein paar Monate natürlich. Fal runzelte die Stirn
und biß sich auf die Lippe. Sie konnte nicht sehen, daß
sie das Gehirn bekamen; der Wandler siegte, und ihr waren die
Einfälle vollständig ausgegangen. In letzter Zeit war ihr
nichts weiter eingefallen als Mittel, um Gobuchul – vielleicht,
nur vielleicht – abzuschrecken: Das waren sicher keine Mittel,
um ihm das Handwerk ganz zu legen, aber vielleicht konnten sie ihm
seine Aufgabe erschweren. Doch Fal war nicht optimistisch, auch wenn
das Kontakt-Kriegskommando einem so gefährlichen, ungewissen und
teuer werdenden Plan zugestimmt hätte…
    »Fal?« fragte Jase. Ihr kam zu Bewußtsein,
daß sie den Blick auf die Insel gerichtet hielt, ohne sie
wahrzunehmen. Das Glas wurde warm in ihrer Hand, und Jase und der
Junge sahen sie beide an.
    »Was?« Sie nahm einen Schluck.
    »Ich hatte dich gefragt, was du über den Krieg
denkst«, sagte der Junge. Er musterte sie mit
zusammengekniffenen Augen. Das Sonnenlicht lag scharf auf seinem
Gesicht. Fal betrachtete die breiten, offenen Züge und fragte
sich, wie alt er sei. Älter als sie? Jünger? Empfand er so,
wie sie empfand – wünschte er sich, älter zu sein,
sehnte er sich danach, als verantwortlich behandelt zu

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