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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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fürchtete,
weinen zu müssen.
    »Oh, Scheiße«, sagte der Junge zu Jase. »Ich
glaube, das hätte ich nicht sagen sollen… Ist ein Freund
oder Verwandter von ihr…?«
    Fal ging das Deck hinunter. Sie hinkte ein bißchen, denn das
frischverheilte Bein brachte sich mit einem nagenden Schmerz in
Erinnerung.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Jase zu dem Jungen.
»Laß sie in Ruhe, und sie wird sich schon wieder
fangen…«
    Fal stellte ihr Glas in einer der dunklen, leeren Kabinen der
Yacht ab, dann ging sie weiter in Richtung der vorderen
Aufbauten.
    Sie stieg eine Leiter zum Ruderhaus hoch, dann über eine
weitere Leiter auf das Dach, setzte sich dort mit untergeschlagenen
Beinen hin (das vor kurzem gebrochene Bein tat ihr weh, aber sie
ignorierte es) und sah aufs Meer hinaus.
    Weit entfernt, beinahe an der Dunstgrenze, schimmerte ein
weißer Grat in der nahezu windstillen Luft. Fal stieß
traurig den Atem aus. Ob die weißen Gebilde – sichtbar
wahrscheinlich nur, weil sie bis hoch oben, in klarere Luft reichten
– schneebedeckte Berggipfel waren? Vielleicht waren es auch
bloß Wolken. Sie erinnerte sich an die Geographie dieses Ortes
nicht gut genug, um es sicher sagen zu können.
    Sie saß da und dachte an diese Gipfel. Einmal hatte sie hoch
im Vorgebirge, wo ein kleiner Bergbach für etwa einen Kilometer
über ein ebenes, sumpfiges Plateau floß und sich auf dem
feuchten, von Schilf bedeckten Land wand und schlängelte und bog
wie ein Athlet, der sich zwischen zwei Wettkämpfen streckt und
biegt, etwas gefunden, das ihr diesen Winterspaziergang
unvergeßlich gemacht hatte.
    An den Seiten des fließenden Baches hatte sich Eis in
klaren, brüchigen Schollen gebildet. Fal hatte einige Zeit damit
verbracht, glücklich durch die seichten Stellen zu marschieren,
das dünne Eis mit ihren Stiefeln zu zermalmen und zuzusehen, wie
es flußabwärts davontrieb. An diesem Tag kletterte sie
nicht, sondern ging nur spazieren. Sie trug winterfeste Kleidung und
hatte nur wenig an Ausrüstung bei sich. Irgendwie hatte ihr die
Tatsache, daß sie nichts Gefährliches oder körperlich
Anstrengendes tat, das Gefühl vermittelt, wieder ein kleines
Kind zu sein.
    Sie kam an einen Ort, wo der Bach über eine Felsenterrasse
floß, von einer moorigen Ebene zur nächsten, und dort
hatte sich gleich unterhalb des Wasserfalls ein kleiner Teich in den
Fels gegraben. Das Wasser stürzte nicht einmal einen Meter
herab, und der Bach war schmal genug, um zu springen. Aber Fal
erinnerte sich an diesen Bach und diesen Teich, weil dort in dem
kreisenden Wasser, unterhalb des spritzenden Wasserfalls gefangen,
ein gefrorener Kreis aus Schaum trieb.
    Das Wasser war von Natur weich und torfig, und manchmal bildete
sich gelbweißer Schaum in den Bergbächen dieser Gegend,
wurde vom Wind weitergeblasen und blieb im Schilf hängen, aber
noch nie hatte sie Schaum in Kreisform und gefroren gesehen. Sie
lachte, als sie das sah. Sie watete hin und nahm den Kreis vorsichtig
in die Hand. Er war im Durchmesser nur ein bißchen
größer als die Strecke zwischen ihrem ausgestreckten
Daumen und dem kleinen Finger und ein paar Zentimeter dick, nicht so
zerbrechlich, wie sie zuerst befürchtet hatte.
    Die schaumigen Blasen hatten sich in der kalten Luft und dem
beinahe gefrierenden Wasser in Eis verwandelt und etwas geformt, das
wie ein winziges Modell einer Galaxis aussah, einer allgemein
üblichen Spiral-Galaxis wie diese, wie ihre. Sie hielt das
leichte Gebilde aus Luft und Wasser und schwebenden Chemikalien hoch,
drehte es in den Händen, beroch es, streckte die Zunge heraus
und leckte daran, betrachtete die matte Wintersonne durch den Schaum,
schnippte mit dem Finger dagegen, um festzustellen, ob es klang.
    Sie bemerkte, daß ihre kleine Schaum-Galaxis zu schmelzen
begann, ganz langsam, und sah ihren eigenen Atem darüber
hinwehen, ein kurzes Bild ihrer Wärme in der Luft.
    Schließlich legte sie den Kreis dahin zurück, wo sie
ihn gefunden hatte. Er drehte sich langsam in dem Teich am Fuß
des kleinen Wasserfalls.
    Damals war sie auf den Vergleich mit der Galaxis gekommen, und sie
hatte über die Ähnlichkeit der Kräfte nachgedacht, die
die kleine und die große Galaxis bildeten. Und welche ist in
Wirklichkeit die wichtigere? war es ihr durch den Sinn gegangen.
Aber dann war sie über diesen Gedanken verlegen geworden.
    Doch hin und wieder griff sie den Gedanken wieder auf und sagte
sich, daß die eine genauso wichtig sei wie die andere.
Regelmäßig kehrte

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