Bedenke Phlebas
genetischen Code zu ändern, und gar nicht so
unrecht mit der Behauptung hat, bereits Vollkommenheit erreicht zu
haben. Was müssen sie für die schwärmenden
zweifüßigen Stämme der Menschheit empfinden!
Wiederholung. Materie und Leben und die Stoffe, die
Veränderungen bewirken können – die eine Evolution
bewirken können – wiederholen sich ständig: Das Futter
des Lebens gibt dem Leben freche Antworten.
Und wir? Nichts als ein weiterer Rülpser in der
Dunkelheit. Ein Geräusch, aber kein Wort, Lärm ohne
Sinn.
Wir bedeuten in ihren Augen nichts, wir sind bloße
Biotomaten, und noch dazu das schrecklichste Beispiel des Typs. Die
Kultur muß ihnen wie ein teuflisches Amalgam von allem
vorkommen, was die Idiraner jemals widerwärtig gefunden
haben.
Wir sind eine Bastardrasse, unsere Vergangenheit ist ein
Wirrwarr, wir sind als Rüpel in gierigen, kurzsichtigen Imperien
und grausamen, verschwenderischen Diasporas groß geworden.
Unsere Vorfahren waren das Ungeziefer der Galaxis,
unaufhörlich heckend und heckend und wimmelnd und tötend,
ihre Gesellschaften und Zivilisationen zerbrachen ständig,
bildeten sich ständig neu… Es konnte mit uns etwas nicht
stimmen, es mußte eine Mutation im System sein, etwas, das
für uns selbst und für alle anderen zu schnell und
nervös und hektisch war. Wir sind solche kläglichen
fleischlichen Wesen, so kurzlebig, so unruhig und konfus. Und in den
Augen eines Idiraners beinahe schwachsinnig.
Also physischer Abscheu, aber es kommt noch schlimmer. Wir
verändern uns selbst, wir pfuschen an dem Code des Lebens herum,
wir ändern die Buchstaben des Wortes, das der Weg ist, das
Fleisch; wir ändern die Zauberformel des Seins. Wir mischen uns
in unser eigenes Erbgut ein, und wir mischen uns in die Entwicklung
anderer Völker ein (ha! ein gemeinsames Interesse)… Und
noch schlimmer, am schlimmsten von allem, wir produzieren sie nicht
nur, wir geben uns ihnen hin, wir liefern uns ihnen aus, den
Gehirnen, den intelligenten Maschinen, dem letztendlichen Anathema.
Das Urbild und die Essenz des Lebens werden entheiligt. Der Inbegriff
des Götzendienstes.
Kein Wunder, daß sie uns verabscheuen, die armseligen
kranken Mutationen, die wir sind, niedrig und obszön, Diener der
Maschinen-Teufel, die wir anbeten. Nicht einmal unserer eigenen
Identität sind wir uns sicher: Was ist Kultur? Wo genau beginnt
und endet sie? Wer ist sie und wer ist sie nicht? Die Idiraner wissen
genau, wer sie sind: reinrassig, die eine Rasse – oder nichts.
Wissen wir es? Kontakt ist Kontakt, der Kern, aber was kommt dann?
Das Niveau der Gentechnik ist unterschiedlich, ungeachtet des Ideals
kann sich nicht jeder erfolgreich mit jedem anderen paaren. Die
Gehirne? Keine echten Vorbilder, auch sie sind Individuen und nicht
voll berechenbar – besserwisserisch, selbständig. Das Leben
auf einem von der Kultur hergestellten Orbital oder in einem Fels,
einer anderen Sorte von Hohlwelt, einem kleinen Wanderer? Nein; zu
viele erheben Anspruch auf Unabhängigkeit. Die Kultur hat
keine festen Grenzen. Sie verblaßt einfach an den Rändern,
wo sie sowohl verschleißt als auch ausläuft. Also wer sind
wir?
Das Summen von Bedeutung und Materie um sie, der Lichtgesang der
Berge stiegen um sie empor wie eine Springflut, durchtränkten
und verschlangen sie. Sie fühlte sich als die Winzigkeit, die
sie war: ein Stäubchen, ein kämpfendes unvollkommenes
Lebensteilchen, verloren in der es umgebenden Wüste aus Licht
und Raum.
Sie spürte die gefrorene Kraft des Eises und des Schnees und
wurde von ihrer hautverbrennenden Kälte verzehrt. Sie
fühlte den Rhythmus der Sonne und erkannte das Brechen und
Schmelzen der Kristalle, erkannte das Wasser, wie es gluckste und
glitt und zu dunklen Blasen unter dem Eis und Tautropfen an den
Eiszapfen wurde. Sie sah die gefächerten Fäden, die
springenden Bäche und die über Katarakte stürzenden
Flüsse, sie nahm die sich krümmenden und streckenden
Schlingen wahr, als der Fluß langsamer wurde und ruhiger und
mündete… in einen See, ins Meer, wo der Dampf von neuem
aufstieg.
Und sie fühlte sich darin verloren, löste sich darin
auf, und zum ersten Mal in ihrem jungen Leben geriet sie in echte
Angst. Sie fürchtete sich hier und jetzt mehr als damals, als
sie abgestürzt war und sich das Bein gebrochen hatte,
während des kurzen Falls, des Aufschlags und des Schmerzes und
der langen kalten Stunden danach, als sie ungeschützt in Schnee
und Fels lag, zitternd und sich
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