Bedenke Phlebas
erinnert, wer gegen
wen kämpfte oder wann oder weswegen. Niemand weiß auch
nur, ob die Wandler auf der Seite der Sieger standen oder
nicht.
Aber auf jeden Fall wurdest du gemacht, Horza. Du bist nicht
das Produkt einer Evolution, die du ›natürlich‹ nennen
würdest, sondern das Produkt sorgfältigen Nachdenkens und
genetischer Manipulation und militärischer Planung und
überlegter Entwürfe – und des Krieges. Allein der
Krieg ist für deine Erschaffung verantwortlich, du bist sein
Kind, sein Vermächtnis.
Wandler, wandele dich selbst… aber das kannst du nicht,
das willst du nicht. Du kannst dich nur bemühen, nicht
darüber nachzudenken. Und doch ist das Wissen da, die
Information ist deinem tiefsten Innern eingepflanzt. Es ist
möglich, daß du unbeschwert damit leben kannst, aber ich
glaube nicht, daß du es fertigbringst…
Und du tust mir leid, weil ich glaube, ich weiß jetzt,
wen du in Wirklichkeit haßt.
Sie kam schnell aus der Trance, als der Nachschub an Chemikalien
aus den Drüsen in ihrem Hals und Hirnstamm aufhörte. Die
Verbindungen, die sich bereits im Gehirn des Mädchens gebildet
hatten, brachen zusammen, gaben sie frei.
Die Realität umwehte sie, der Wind war kalt an ihrer Haut.
Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. In ihren Augen
standen Tränen, sie trocknete sie, schniefte und rieb sich die
gerötete Nase.
Wieder ein Fehlschlag, dachte sie bitter. Aber es war eine junge,
unstabile Art von Bitterkeit, sozusagen eine Nachahmung, etwas, worin
sie sich eine Weile gefiel, wie ein Kind Erwachsenenkleider
anprobiert. Sie schwelgte einen Augenblick lang in dem Gefühl,
alt und enttäuscht zu sein, dann ließ sie es fallen. Die
Stimmung stand ihr nicht. Es war noch Zeit für die echte
Version, wenn sie alt war, dachte sie sarkastisch und lächelte
der Bergreihe auf der anderen Seite der Ebene zu.
Aber ein Fehlschlag war es trotzdem. Sie hatte gehofft, es werde
ihr ein Einfall kommen, über die Idiraner oder Balveda oder den
Wandler oder den Krieg oder… irgend etwas…
Statt dessen war es zum größten Teil altes Terrain
gewesen, akzeptierte Tatsachen, das bereits Bekannte.
Ein gewisser Ekel davor, menschlich zu sein, Verständnis
für die stolze Verachtung, die die Idiraner ihrer Rasse
entgegenbrachten, eine abermalige Bestätigung, daß
wenigstens dieses eine Ding seine eigene Bedeutung hatte, und der
wahrscheinlich trügerische, wahrscheinlich von zuviel Sympathie
begleitete Blick in den Charakter eines Mannes, den sie nie gesehen
hatte und niemals sehen würde, der von ihr durch den
größten Teil einer Galaxis und eine ganze Ethik getrennt
war.
Wenig genug, um es von einem gefrorenen Gipfel
herunterzubringen.
Sie seufzte. Der Wind blies, und Wolkenmassen sammelten sich
über der hohen Bergkette. Sie mußte mit dem Abstieg
beginnen, wenn sie es vor dem Sturm schaffen wollte. Sie hätte
es wie einen Betrug empfunden, wenn sie nicht unter eigenem Dampf
nach Hause kam, und Jase würde schimpfen, wenn die Bedingungen
so schlecht wurden, daß sie sich von einem Flieger abholen
lassen mußte.
Fal’ Ngeestra stand auf. Der Schmerz in ihrem Bein kehrte
zurück, Signale von ihrer schwachen Stelle. Sie wartete einen
Augenblick lang, taxierte noch einmal den Zustand dieses geflickten
Knochens, entschied, daß er halten würde, und begann in
die nicht gefrorene Welt unten hinabzusteigen.
ELFTER TEIL
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Das Kommando-System:
Bahnhöfe
Er wurde sanft geschüttelt.
»Wach jetzt auf! Komm, wach auf! Nun komm schon, du
mußt aufwachen!«
Er erkannte die Stimme als die Xoralundras. Der alte Idiraner
versuchte ihn aufzuwecken. Horza tat, als schlafe er weiter.
»Ich weiß, daß du wach bist. Nun komm, es ist
Zeit zum Aufstehen!«
Mit vorgetäuschter Müdigkeit öffnete er die
Augen. Xoralundra war da, in einem leuchtend blauen runden Raum. Eine
Menge großer Couchen stand in Alkoven, die in das blaue
Material eingelassen waren. Darüber hing ein weißer Himmel
mit schwarzen Wolken. Es war sehr hell in dem Raum. Seine Augen
abschirmend, sah Horza den Idiraner an.
»Was ist mit dem Kommando-System passiert?« fragte er
und sah sich in dem runden blauen Raum um.
»Der Traum ist jetzt vorbei. Du hast deine Sache gut
gemacht, hast mit fliegenden Fahnen bestanden. Die Akademie und ich
sind sehr stolz auf dich.«
Er konnte nicht umhin, sich zu freuen. Es war, als hülle
ein warmes Glühen ihn ein, und unwillkürlich erschien ein
Lächeln auf seinem Gesicht.
»Danke«,
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