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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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von ihr, distanziert beobachtend,
dachte: Darin bin ich immer noch nicht sehr gut…
    Sie öffnete die Augen, und die Welt hatte sich
verändert. Die fernen Hügel waren ewig wogende braune und
grüne Wellen mit Kämmen aus brechendem weißen Schaum.
Die Ebene dampfte vor Licht; das Muster aus Weideland und
Gehölzen im Vorgebirge sah wie Tarnung aus, sich bewegend, aber
sich nicht bewegend, wie ein hohes Gebäude, gesehen vor schnell
dahinziehenden Wolken. Die bewaldeten Kämme waren gebuckelte
Abteilungen in einem riesigen, geschäftigen Baum-Gehirn, und die
von Schnee und Eis bedeckten Gipfel um sie waren zu vibrierenden
Quellen eines Lichts geworden, das man auch hören und riechen
konnte. Sie erfuhr ein berauschendes Gefühl der Konzentration,
als sei sie der Mittelpunkt der Landschaft.
    Hier in einer von innen nach außen gekehrten Welt, einem
umgestülpten Hohlkörper.
    Teil davon. Hier geboren.
    Alles, was sie war, jeder Knochen und jedes Organ, jede Zelle und
jeder chemische Stoff und jedes Molekül und Atom und Elektron,
Proton und jeder Kern, jedes Elementarteilchen, jede Wellenfront aus
Energie, stammte von hier… nicht nur von dem Orbital (ein neues
Schwindelgefühl, sie berührte Schnee mit behandschuhten
Händen), sondern aus der Kultur, der Galaxis, dem
Universum…
    Dies ist unser Ort und unsere Zeit und unser Leben, und wir
sollten uns dessen erfreuen. Aber tun wir es? Sieh von außen
nach innen; frage dich selbst… Was tun wir da?
    Wir töten die Unsterblichen, verändern, um zu
erhalten, führen Krieg für den Frieden… und so
umarmen wir aus eigenen guten Gründen Dinge, denen wir angeblich
voll und ganz entsagt haben.
    Es war vollendete Tatsache. Diejenigen Leute in der Kultur, die
energisch gegen den Krieg gesprochen hatten, waren fort. Sie
gehörten nicht länger zur Kultur, sie hatten nicht teil an
der Leistung. Sie waren Neutrale geworden, hatten ihre eigenen
Gruppierungen gebildet und neue Namen angenommen (oder den Anspruch
erhoben, die echte Kultur zu sein, eine weitere Nuance der Verwirrung
an den unscharfen Grenzen der Kultur). Aber dieses eine Mal kam es
nicht auf die Namen an. Worauf es ankam, waren die Unstimmigkeit und
das Unbehagen, das die Teilung hervorgerufen hatte.
    Ah, diese Verachtung. Der Überfluß an Verachtung,
den wir angesammelt haben. Unsere eigene getarnte Verachtung für
›Primitive‹, die Verachtung jener, die die Kultur
verließen, als der Krieg erklärt wurde, für die
anderen, die sich entschieden, gegen die Idiraner zu kämpfen,
die Verachtung, die so viele unserer eigenen Leute für die
Besonderen Umstände empfinden… die Verachtung, die, wie wir
vermuten, die Gehirne für uns empfinden müssen… Auch
anderswo herrscht Verachtung, die Verachtung der Idiraner für
uns, für die gesamte Menschheit, und die menschliche Verachtung
für die Wandler. Ein föderierter Widerwille, eine Galaxis
von Geringschätzung. Wir mit unseren emsigen, emsigen kleinen
Leben, die wir keinen besseren Weg finden, unsere Jahre zu
verbringen, als im Wettbewerb der Verachtung.
    Und was müssen die Idiraner von uns halten! Man bedenke:
Fast unsterblich, einzigartig und unverändert.
Fünfundvierzigtausend Jahre der Geschichte auf einem einzigen
Planeten, mit einer einzigen alles umfassenden Religion/Philosophie,
ganze ungestörte Äonen zufriedenen Studiums, ein ruhiges
Zeitalter der Hingabe an diesen einen angebeteten Ort, ohne Interesse
an den Dingen draußen. Dann, vor Jahrtausenden, in einem
früheren Krieg, Invasion. Plötzlich finden sie sich
als Schachfiguren in dem erbärmlichen Imperialismus anderer
wieder. Von introvertiertem Frieden durch Zeitalter der Qual und
Unterdrückung – in der Tat eine schmiedende Kraft – zu
extrovertierter Militanz, zielgerichtetem Eifer.
    Wer konnte es ihnen zum Vorwurf machen? Sie hatten versucht, sich
abseits zu halten, und waren von Kräften, größer als
die, die sie selbst aufbringen konnten, zerschlagen, waren beinahe
ausgerottet worden. Kein Wunder, daß sie zu der
Schlußfolgerung gelangten, der einzige Weg, sich zu
schützen, sei, als erste anzugreifen, zu expandieren,
stärker und stärker zu werden, ihre Grenzen so weit wie
möglich um den geliebten Planeten Idir hinauszuschieben.
    Und es gibt sogar eine genetische Schablone für diesen
katastrophalen Wandel von demütig zu gewalttätig,
nämlich in dem Schritt vom Brüter zum Krieger… Oh,
eine wilde und edle Spezies, mit Recht stolz auf sich, die sich
weigert, ihren

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