Bedenke Phlebas
ich nachdenken
müssen«, sagte Xoxarle leise. »Von Kriegern erwartet
man nicht, daß sie schreien, weil sie Schmerzen
haben.«
»Wubslin ist also glücklich?« fragte Yalson den
Wandler.
»Er sorgt sich, daß er nicht dazu kommen wird, den Zug
zu fahren«, erzählte Horza ihr. »Was macht der
Roboter?«
»Läßt sich Zeit damit, den anderen Zug zu
inspizieren.«
»Dann soll er ruhig dort bleiben«, meinte Horza.
»Du und ich können den Bahnhof durchsuchen. Aviger?«
rief er dem alten Mann zu, der ein Stückchen Plastik benutzte,
um Essensreste aus seinen Zähnen zu stochern.
»Was?« Aviger sah den Wandler mißtrauisch an.
»Paß auf den Idiraner auf! Wir wollen uns in diesem
Bahnhof umsehen.«
Aviger zuckte die Achseln. »Schon gut. Ich habe im Augenblick
nicht viele Möglichkeiten, anderswohin zu gehen.« Er
betrachtete das Ende seines Zahnstochers.
Er streckte den Arm aus, faßte die Kante der Rampe und zog.
Auf einer Welle aus Schmerz zerrte er sich weiter. Er faßte die
Kante der Zugtür und zog wieder. Er rutschte und schrammte von
der Rampe auf den Fußboden im Innern des Zuges.
Als er ganz drinnen war, ruhte er sich aus.
Das Rauschen des Blutes in seinem Kopf wollte nicht
aufhören.
Seine Hand wurde jetzt müde und wund. Es war nicht der
stechende, mahlende Schmerz von seinen Verletzungen, aber es machte
ihm mehr Sorgen. Denn er fürchtete, seine Hand werde bald
versagen, zu schwach werden, um zuzugreifen, und dann würde er
sich nicht mehr weiterziehen können.
Wenigstens war der Weg jetzt eben. Er mußte sich durch einen
und einen halben Wagen schleppen, aber da war kein Gefälle. Er
versuchte, den Kopf zu heben, nach der Stelle hinunterzusehen, wo er
gelegen hatte, doch es gelang ihm nur ein kurzer Blick, dann
mußte er den Kopf wieder fallenlassen. Über die Rampe
führte eine zerkratzte, blutige Spur, als habe ein in purpurne
Farbe getauchter Besen durch den Staub und Schutt der metallenen
Oberfläche gefegt.
Es hatte keinen Sinn, zurückzublicken. Sein Weg führte
vorwärts, und ihm blieb nur noch wenig Zeit. In einer halben
Stunde würde er tot sein, oder noch eher. Wenn er auf der Rampe
liegengeblieben wäre, hätte er länger gelebt. Die
Bewegung hatte sein Leben verkürzt, die saugenden Kräfte
gestärkt, die ihm Kraft und Vitalität raubten.
Er zog sich auf den Längskorridor zu.
Seine beiden nutzlosen, zerschmetterten Beine glitten auf einer
dicken Schicht Blut hinter ihm her.
»Wandler!«
Horza runzelte die Stirn. Er und Yalson wollten sich gerade den
Bahnhof ansehen. Der Idiraner rief Horza an, als dieser nur noch
wenige Schritte von der Palette entfernt war, wo Aviger saß und
mit einem Ausdruck des Überdrusses sein Gewehr ungefähr in
die Richtung der Kultur-Agentin hielt. Balveda ging immer noch auf
und ab.
»Ja, Xoxarle?« fragte Horza.
»Diese Drähte. Sie werden mich bald zerschneiden. Ich
erwähne das nur, weil du bisher so sorgfältig vermieden
hast, mich ums Leben zu bringen. Es wäre ein Jammer, sollte ich
jetzt zufällig wegen eines Versehens sterben. Bitte – geh
ruhig weiter, wenn du nicht belästigt werden willst.«
»Sie möchten, daß die Drähte gelockert
werden?«
»Um eine Winzigkeit. Sie geben nicht nach, siehst du, und es
wäre schön, könnte ich atmen, ohne mich dabei
aufzuschlitzen.«
»Wenn Sie es diesmal mit irgendeinem Trick versuchen«,
versicherte Horza dem Idiraner, trat näher und richtete das
Gewehr auf sein Gesicht, »werde ich Ihnen beide Arme und alle
drei Beine abschießen und Sie auf der Palette nach Hause
schleifen.«
»Die Androhung von Grausamkeiten hat mich überzeugt,
Mensch. Offenbar weißt du, daß wir Prothesen für
eine Schande halten, selbst dann, wenn sie die Folge von
Kriegsverletzungen sind. Ich werde mich ruhig verhalten. Nur lockere
die Drähte ein bißchen wie ein guter
Verbündeter.«
Horza lockerte die Drähte ein wenig, wo sie in Xoxarles
Körper einschnitten. Der Sektionsführer bog sich und machte
ein lautes, seufzendes Geräusch mit seinem Mund.
»So ist es viel besser, Kleiner. Viel besser. Jetzt werde ich
am Leben bleiben, um mich der Strafe zu stellen, die in deiner
Vorstellung auf mich wartet.«
»Das hängt davon ab«, gab Horza zurück.
»Wenn er auch nur kämpferisch atmet«, rief er
Aviger zu, »schießt du ihm die Beine ab.«
»Jawohl, Sir.« Aviger salutierte.
»Hoffen Sie, über das Gehirn zu stolpern, Horza?«
fragte Balveda. Sie hatte aufgehört, hin- und herzulaufen und
sich vor ihm
Weitere Kostenlose Bücher